Was macht einen Vertriebsmittler zum Handelsvertreter?
Wie häufig bei rechtlichen Vereinbarungen, insbesondere Verträgen, kommt es nicht so sehr darauf an, wie die Parteien sie genannt haben, sondern was sie tatsächlich inhaltlich geregelt haben und - rückblickend – wie sie die wechselseitigen vertraglichen Verpflichtungen „gelebt“ haben.
Das Landgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 08.07.2025) hatte kürzlich die Frage nach der rechtlichen Einordnung einer als „Kooperationsvertrag“ bezeichneten Vereinbarung zwischen dem Hersteller von Coronatests und dem Unternehmer, der sich um den Vertrieb kümmern sollte, zu beantworten. Das Gericht hat ihn als Handelsvertretervertrag qualifiziert. Dies hat Auswirkungen auf die maßgeblichen Rechte und Ansprüche während, insbesondere aber nach dem Ende des Vertragsverhältnisses. Nur wenn ein Vertrag der Sache nach als Handelsvertretervertrag einzuordnen ist, gibt es kraft Gesetzes beispielsweise Mindestkündigungsfristen und den sog. Ausgleichsanspruch, beides im Prinzip zum Schutze eines Handelsvertreters.
Nach dem erwähnten Urteil des Landgerichts Frankfurt ist entscheidend, ob die tatsächliche Vertragssituation dem gesetzlichen Leitbild eines Handelsvertretervertrages entspricht. Nach dem HGB ist Handelsvertreter, wer als selbständiger Gewerbetreibende ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Angestellte können nicht Handelsvertreter sein, auch wenn sie neben ihrem Festgehalt eine provisionsähnliche Vergütung erhalten. Das Merkmal der „ständigen Betrauung“ setzt aber z.B. nicht voraus, dass der Vertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden ist. Nach dem zitierten Urteil ist entscheidend, dass es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt, während dessen – auch befristeter Laufzeit- eine unbestimmte Vielzahl von Geschäften vermittelt wird – also nicht nur eine schon im Voraus festgelegte Zahl von Einzelgeschäften. Dann wäre der Vermittler nämlich möglicherweise als Handelsmakler einzustufen – mit ganz anderen rechtlichen Konsequenzen.
Das Gericht betont, dass für die rechtliche Einordnung stets das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse maßgeblich ist – und die tatsächliche Handhabung vertraglicher Regelungen.
Im Streitfalle, insbesondere im Falle der Kündigung eines Vertrages mit Vertriebs- oder Vermittlungscharakter, sollten die Beteiligten also genau prüfen lassen, welche rechtlichen Regelungen anwendbar sind und sich nicht allein auf den bei Abschluss irgendwann einmal gewählten Titel des Vertrages verlassen.