Zivilrechtliche Auswirkungen der Umsatzsteuersenkung auf Wirtschaftsverträge
Im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen ist es üblich, in Liefer- und sonstigen Austauschverträgen die anfallende Umsatzsteuer gesondert auszuweisen (z.B. “zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer“). Sofern Vertragspartner die Umsatzsteuer in einem Vertrag nicht gesondert erwähnen, gilt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass die Steuer im vereinbarten Preis bzw. in der Gegenleistung enthalten ist.
Eine Ausnahme gilt nach der Rechtsprechung für Rechtsanwalts-, Steuerberater- und Architektenhonorare; bei diesen wird davon ausgegangen, dass die Umsatzsteuer zusätzlich zum Honorar gefordert werden kann. Aber was geschieht, wenn im Vertrag die Umsatzsteuer nicht ausdrücklich erwähnt wird (also als eingeschlossen gilt) und nach dem Vertragsabschluss die gesetzliche Umsatzsteuer gesenkt wird, wie dies ab dem 01.07.2020 in Deutschland der Fall sein wird?
Welche der Vertragsparteien profitiert dann von dem niedrigeren Umsatzsteuersatz, wenn beispielsweise der Verkäufer seinen Kaufpreis noch mit 19% Mehrwertsteuer kalkuliert, bei Lieferung der Ware aber nur noch 16% Mehrwertsteuer abgeführt werden müssen. Maßgeblich ist in jedem Falle der Leistungszeitpunkt bzw. -zeitraum. In dieser Situation ist typischerweise eine „ergänzende Vertragsauslegung“ oder eine Vertragsanpassung geboten, weil die Vertragsparteien bei Abschluss des Vertrages in aller Regel nicht daran gedacht haben werden, dass es zu einer Umsatzsteuerherabsetzung kommen würde. Ein ähnlicher Fall ergab sich bei der letzten Umsatzsteuererhöhung im Jahre 2007 und zu diesem Zweck wurde eine ausdrückliche Übergangsbestimmung getroffen. Danach sollte eine Vertragsanpassung nur möglich sein für Verträge, die mehr als vier Monate vor dem Stichtag abgeschlossen worden waren. Unmittelbar ist diese Regelung (§ 29 UStG) auf die aktuelle Situation nicht anwendbar, man könnte an eine entsprechende Anwendung denken. Andernfalls könnte sich der Käufer auf den Standpunkt stellen, dass der Preis entsprechend herabzusetzen ist.
Dies nimmt die Rechtsprechung jedenfalls für den Fall an, dass die Parteien übereinstimmend irrtümlicherweise von einer Umsatzsteuerpflicht ausgegangen sind und sich anschließend herausstellt, dass das Geschäft umsatzsteuerfrei ist. In ähnlicher Weise könnte der Käufer argumentieren, wenn statt eines Umsatzsteuersatzes von 19% nur 16% anwendbar sind und verlangen, dass der Kaufpreis entsprechend reduziert wird.