Strafzölle und INCOTERMS

INCOTERMS werden weltweit standardmäßig insbesondere bei grenzüberschreitenden Lieferverträgen verwendet und sind wegen ihrer scheinbar einfachen Handhabbarkeit auch nicht wegzudenken. Im konkreten Fall können sie aber zur Falle werden; dies zeigt sich gegenwärtig bei der Welle von zum Teil extremen Erhöhungen von Zolltarifen, die wechselseitig insbesondere von den USA, China und der EU verhängt, angekündigt und dann auch wieder – vorübergehend – ausgesetzt werden. Wer heute bei einem länger laufenden Liefervertrag als Verkäufer die Klausel “DDP“ („Delivery Duty Paid“) abgeschlossen hat, kann schnell in eine Existenz gefährdende Situation geraten. Wenn der Lieferant “DDP“ zu liefern hat, trägt er auch das Risiko, von einem auf den anderen Tag höhere Zölle bezahlen zu müssen. Er ist verpflichtet, dem Käufer die Ware verzollt zu liefern. Anders als bei Umsatzsteuererhöhungen, die für Unternehmer weitgehend ergebnisneutral bleiben, können Zollerhöhungen meistens nicht einfach “durchgereicht“ werden.
Es stellt sich dann die Frage danach, wie rechtlich auf eine solche Situation reagiert werden kann. Der Lieferant wird sich kaum auf Unmöglichkeit der Vertragserfüllung berufen können; denn sie ist ja möglich, nur eben zu stark erhöhten Kosten. Es wird diskutiert, ob die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage herangezogen und Lieferanten zu einer Vertragsanpassung verhelfen können. Voraussetzung wäre aber, dass sich die Umstände, die bei Vertragsabschluss gegeben waren, nach dem Vertragsschluss in einer Weise verändert haben, dass die Parteien den Vertrag ursprünglich nicht oder zu anderen Konditionen geschlossen hätten, wenn Sie eine solche Veränderung vorausgesehen hätten. Und es muss außerdem für den Lieferanten unzumutbar sein, unter diesen Umständen an der Vertragsdurchführung festzuhalten. Zum Teil wird die Ansicht vertreten, dass die jetzt in Rede stehenden Zollerhöhungen schon seit langem angekündigt waren (nämlich schon seit der ersten Trump-Administration) und deshalb keinen Wegfall einer Geschäftsgrundlage bedeuten können. Wenn diese Sichtweise eines Tages von Gerichten bestätigt wird, bliebe nur noch der Gedanke an höhere Gewalt. Da der Begriff der höheren Gewalt aber auch nicht allgemeingültig definiert ist, könnte man hieran wohl nur denken, wenn „Strafzölle“ als höhere Gewalt in einer entsprechenden Vertragsklausel definiert worden sind. Dies wird nur ganz selten der Fall sein.
Gleichwohl müssen die Möglichkeiten, sich vom Vertrag zu lösen, stets im Einzelfall aufgrund der getroffenen Vereinbarungen geprüft werden. Sicher ist, dass die Klausel “DDP“ gegenwärtig nur noch mit entsprechendem Vorbehalt verwendet werden sollte. Alternativen gibt es hierfür, z.B. “FOB“ (“Free on Board“). Letztlich sind Zölle ein Teil der Kosten des Herstellers oder Lieferanten. Zollerhöhungen sollten wie auch andere Steigungen von Produktionskosten bei den Vertragsverhandlungen eingeplant und die Risikotragung von den Parteien vertraglich geregelt werden.