Spanien: Verluste bei Beteiligungsübertragungen sind möglicherweise verfassungswidrig
Stellen Sie sich vor, der Vorstand beschließt, eine Tochtergesellschaft zu veräußern, und dabei tritt ein erheblicher buchhalterischer Verlust zutage. Bei der Körperschaftsteuererklärung sagt das Gesetz dem Unternehmen jedoch: „Dieser Verlust existiert nicht.“ Das ist kein Scherz: Artikel 21.6 LIS (spanisches Körperschaftsteuergesetz) untersagt die Berücksichtigung negativer Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen, wenn eine Veräußerung mit Gewinn aufgrund der Beteiligungsfreistellung steuerfrei gewesen wäre. Nuancierter: Es gelten Minderungsregeln und eine begrenzte Abzugsfähigkeit bei Auflösung der Gesellschaft, an der die Beteiligung gehalten wird. im Kern werden jedoch oft Veräußerungsverluste nicht in die BMG der Steuer einbezogen.
Eingeführt wurde das Verbot durch das Königliche Gesetzesdekret 3/2016 bei der Neufassung des Artikels 21. Offiziell wollte man damit verhindern, dass die Freistellung von Gewinnen mit dem sofortigen Abzug von Verlusten zusammenfällt – entschied sich jedoch für ein kategorisches Verbot: Verluste „dürfen nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden“. Seither häufen sich in der Unternehmenspraxis Fußnoten, die erklären, warum ein realer wirtschaftlicher Verlust steuerlich nicht unmittelbar sichtbar wird.
2025 hat sich das Blatt jedoch gewendet: Der Nationale Gerichtshof (Audiencia Nacional) hat mit Beschluss vom 14. Juli (Az. 1506/2023) dem spanischen Verfassungsgericht die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieses Verbotes vorgelegt. Aus seiner Sicht könnte zum einen der Einsatz eines Gesetzesdekretes zur Änderung wesentlicher Elemente der Steuer (der BMG) die Grenzen des Art. 86.1 CE (spanische Verfassung) überschreiten und zum anderen die Verhinderung des Aufscheinens realer Verluste das Leistungsfähigkeitsprinzip des Art. 31.1 CE belasten. Bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichts ist das Verfahren vor dem Nationalen Gerichtshof ausgesetzt.
Der Kontext ist wichtig: Das Verfassungsgericht hat bereits drei weitere Maßnahmen desselben Gesetzesdekretes (verschärfte Grenzen für Verlustvorträge und Abzüge zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sowie die automatische Wertaufholung) für verfassungswidrig erklärt und aufgehoben, weil sie per Gesetzesdekret in den Kern der Körperschaftsteuer eingriffen. Selbst die spanische Steuerbehörde hat den Körperschaftsteuer-Leitfaden 2024 an das Urteil STC 11/2024 anpassen müssen. Vor diesem Hintergrund, der auch das STC 78/2020 zu Vorauszahlungen einschließt, ist mit einer kritischen Prüfung des Art. 21.6 LIS zu rechnen.
Gibt es außerdem ein materielles Problem der Steuergerechtigkeit? Der Konflikt liegt in der Asymmetrie: Wenn Veräußerungsgewinne zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und Förderung der Internationalisierung steuerfrei sein können – ist es dann schlüssig, echte Veräußerungsverluste steuerlich zugleich zu ignorieren? Das LIS enthält Ausnahmen (etwa Abzugsfähigkeit bei Auflösung mit Anpassungen), doch der kategorische Ansatz könnte in bestimmten Fällen ein nicht der Wirklichkeit entsprechendes Steuerbild erzeugen.
Was können Unternehmen jetzt tun? Sie können nicht verjährte Veranlagungszeiträume prüfen, in denen aufgrund von Art. 21.6 Verluste nicht berücksichtigt wurden, um ggf. Berichtigungen zu beantragen – denn das Verfassungsgericht könnte im Fall der Verfassungswidrigkeit die Wirkung bedingen. Außerdem sollten die betroffenen Felder im Formular 200 geprüft und die wirtschaftliche Rationalität der konzerninternen Transaktionen sorgfältig dokumentiert werden.