Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – der Stress für den Mittelstand nimmt zu
Immer häufiger werden mittelständische Unternehmen mit den Anforderungen des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes konfrontiert. Und das, obwohl sie im Gesetz gar nicht als unmittelbar Verpflichtete definiert sind. Denn unmittelbar richtet sich das Gesetz (seit Beginn des Jahres 2024) an Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern.
Der Begriff des Mittelstands ist zwar nicht gesetzlich festgelegt. In der Wirtschaft werden darunter im Allgemeinen kleine und mittelgroße Unternehmen von bis zu 500 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von bis zu 50 Mio EUR gezählt. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz erfasst diese also nicht unmittelbar.
Das Gesetz bezweckt die Einhaltung von Standards bei der Beachtung von Menschenrechten entlang der globalen Lieferketten (Vermeidung von Kinderarbeit, von Zwangsarbeit, von problematischen Arbeitsbedingungen; Schutz der Umwelt).
Die verpflichteten Unternehmen müssen gegenüber ihren Zulieferern durch geeignete Maßnahmen sicherstellen und überwachen, dass die Zwecke des Gesetzes eingehalten werden. Dies funktioniert im Wesentlichen in der Weise, dass Unternehmen gegenüber ihren Vorlieferanten Klauseln in Lieferverträgen verankern, welche sicherstellen und dokumentieren, dass das unmittelbar verpflichtete Unternehmen die gesetzlichen Vorschriften einhält. Hier geht es um Regelungen dazu, dass
- der betroffene Zulieferer die menschenrechtsbezogenen und umweltbezogenen Vorgaben einhält und seinerseits in der Lieferkette weitergibt;
- angemessene Kontrollmechanismen eingehalten werden (z.B. Durchführung von Schulungen und Weiterbildungen)
- risikobasierte Kontrollmechanismen (z.B. Audits) durchgesetzt werden können.
In der Vertragspraxis stoßen hier aber die Interessen des durch das LKSG betroffenen Unternehmens und der Zulieferer aufeinander und dies birgt ein erhebliches Konfliktpotential. Häufig versuchen die verpflichteten Unternehmen, pauschal ihren eigenen Unternehmenskodex (z.B. Code of Conduct) zum Vertragsgegenstand zu machen und die entsprechenden Verpflichtungen durch sog. Weitergabeklauseln in der gesamten Lieferkette verbindlich zu machen. Aus der Sicht des verpflichteten Unternehmens ist dieser Versuch zwar nachvollziehbar, denn so soll die Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen dokumentiert werden. Zulieferer müssen aber aufpassen, ob sie solche Bedingungen akzeptieren können.
Des funktioniert zum Beispiel bei der verbindlichen Vereinbarung eines Compliancekodex des Abnehmers und das Durchreichen derartiger Verpflichtungen schon deshalb häufig nicht, weil Zulieferer an ihren eigenen Code of Conduct gebunden sind. Und häufig ist es Zulieferern auch nicht möglich, derartige Verpflichtungen ihren Sublieferanten im In- und Ausland verbindlich vorzugeben, geschweige diese zu überwachen. Dort, wo dies funktioniert, sind entsprechende Ergänzungsvereinbarungen entlang der Lieferkette abzuschließen. Sorgfältige Prüfung und gegebenenfalls Verhandlung derartiger vertraglicher Regelungen ist unbedingt zu empfehlen.