Die “Wurstlücke” im Kartellrecht
Oftmals fragt man sich bei Gesetzesänderungen, inwiefern diese dazu geeignet sind, das mit ihnen verfolgte Ziel auch tatsächlich zu erreichen. Ein praktisch tatsächlich schönes Beispiel für eine Änderung, bei welcher der Erfolg sich unmittelbar bemerkbar machen dürfte, ist die durch die aktuelle GBW-Novelle in Kraft getretene Haftbarkeit von (Mutter) Gesellschaften für Tochter-/ Konzerngesellschaften: Der Wurstfabrikant Clemens Tönnies – sowie ihn imitierende Unternehmen - hatten in der Vergangenheit Tochtergesellschaften, welche an Preisabsprachen für Wurstwaren teilgenommen hatten, und an die ein Kartell-Bußgeld verhängt worden war, einfach aufgelöst, womit die Geldbuße ins Leere ging, da die Konzern-Muttergesellschaft nicht für Verfehlungen ihrer Töchter haftete. Dieser als „Wurstlücke“ bekannt gewordene Trick dürfte nach den Neuerungen der GWB-Novelle – wir berichteten in der vorletzten Ausgabe – nicht mehr funktionieren, denn es gibt nun die Möglichkeit der Konzernhaftung/ Haftung des Rechtsnachfolgers. Damit dürfte die bislang bestehende Rechtslücke, durch die Unternehmen Kartellstrafen durch Umstrukturierungen einfach entgehen konnten, geschlossen sein.
Auf europäischer Ebene und in vielen anderen EU-Ländern werden Kartellverstöße bereits bei den Muttergesellschaften geahndet, das deutsche Recht setzte bislang lediglich bei der handelnden Konzerntochter an. Es soll wohl auch schon darüber nachgedacht worden sein, besonders auffällige Verfahren an die EU-Kommission weiterzugeben, die sie dann nach dem seit jeher strengerem europäischen Wettbewerbsrecht führen könnte. Sofern andere Rechtslücken, die – in letzten Endes legaler, wenn auch moralisch vielleicht verwerflicher – Weise von Unternehmen ausgenutzt werden, nicht geschlossen werden können, so könnte ein künftiger Ansatz ja auch darin bestehen, dass sich EU-Kommissarin Margrethe Vestager Anreize holt bei ihrem Amtskollegen Pierre Moscovici zur Abwälzung von Pflichten des Gesetzgebers auf andere Beteiligte, vgl. hierzu unser Beitrag in der gleichen Ausgabe zum Öffentlichen Recht/ EU-Recht.