Die neue Pflicht zur vorherigen Anhörung bei verhaltensbedingten Kündigungen
Am 18. November 2024 verabschiedete der Oberste Gerichtshof von Spanien eine Entscheidung, die einen bedeutenden Wandel in der Handhabung von außerordentlichen Kündigungen in Spanien einleitet. Das Urteil, das Artikel 7 des Übereinkommens Nr. 158 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), das seit 1986 in Spanien gilt, direkt anwendet, legt dem Arbeitgeber die Verpflichtung auf, dem Arbeitnehmer vor der Entscheidung über die Beendigung des Arbeitsvertrags die Möglichkeit zur Verteidigung einzuräumen.
Das Hauptziel dieser Entscheidung ist es, die Rechte der Arbeitnehmer bei außerordentlichen Kündigungen zu stärken, ihr Recht auf Anhörung zu gewährleisten und Transparenz sowie Ausgewogenheit bei unternehmerischen Entscheidungen zu fördern.
Die neue Verpflichtung führt die folgenden zentralen Punkte ein:
- Recht des Arbeitnehmers auf vorherige Anhörung: Bevor der Arbeitgeber die Entscheidung trifft, den Arbeitsvertrag aufgrund einer außerordentlichen Kündigung zu beenden, muss er dem Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, sich gegen die erhobenen Vorwürfe zu verteidigen. Sofern der Tarifvertrag nichts anderes vorsieht, sollte eine schriftliche Mitteilung über die begangenen Verstöße erfolgen, und es sollte eine angemessene Frist von 2-3 Werktagen für die Verteidigung eingeräumt werden.
- Rechtsgrundlage: Diese Verpflichtung basiert auf der direkten Auslegung von Artikel 7 des IAO-Übereinkommens Nr. 158, der besagt, dass „ein Arbeitgeber den Arbeitsvertrag aus Gründen, die mit dem Verhalten oder der Leistung des Arbeitnehmers zusammenhängen, nicht kündigen darf, ohne dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gegeben zu haben, sich gegen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu verteidigen.“
- Anwendung in internen Verfahren: Die vorherige Anhörung muss vor der formellen Kündigung durchgeführt werden, was bedeutet, dass Unternehmen ihre Disziplinarverfahren anpassen müssen. Auch wenn kein spezifisches Verfahren vorgeschrieben ist, muss der Arbeitgeber diesen Schritt angemessen dokumentieren, um dessen Einhaltung zu gewährleisten.
- Auswirkungen auf die Beurteilung der Kündigung: Da es zum jetzigen Zeitpunkt keine Rechtsprechung gibt, die die Konsequenzen festlegt, gehen wir davon aus, dass das Unterlassen dieser Anhörung die Unwirksamkeit der Kündigung wegen Nichteinhaltung der formalen Anforderungen zur Folge hat. Ob jedoch künftig auch die Nichtigkeit der Kündigung festgestellt werden könnte, da das Fehlen der Anhörung die Verteidigungsrechte des betroffenen Arbeitnehmers beeinträchtigt, bleibt abzuwarten.
Diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bedeutet die Verschärfung des Kündigungsschutzes in Spanien und bringt die nationalen Praktiken in Einklang mit den von der IAO festgelegten internationalen Standards.