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Welche Rechtsfolgen hat eigentlich “Höhere Gewalt”?

30/03/2020
| Dr. Thomas Rinne, Lidia Minaya Moreno
Welche Rechtsfolgen hat eigentlich “Höhere Gewalt”?

„Höhere Gewalt“ ist im deutschen Zivilrecht nicht ausdrücklich definiert. Die Rechtsprechung versteht darunter ein von außen kommendes, unverschuldetes und unabwendbares Ereignis, das der Schuldner einer vertraglichen Verpflichtung selbst bei äußerster Sorgfalt nicht vermeiden konnte. Welche Rechtsfolgen sich aus einem solchen Ereignis ergeben, hängt immer von der konkreten Art der vertraglichen Verpflichtung ab, die durch ein solches Ereignis beeinträchtigt oder unmöglich gemacht wird. Wenn beispielsweise der Hersteller eines Produkts aufgrund eines Naturereignisses an der Produktion gehindert ist, kann er sich auf sogenannte Unmöglichkeit berufen und wird dann von der Leistung frei. Er verliert natürlich auch den Anspruch auf den Kaufpreis, denn auch der Kunde braucht dann nicht zu zahlen.

In der Praxis finden sich in Verträgen und allgemeinen Lieferbedingungen Klauseln, durch die die höhere Gewalt definiert wird. So würden beispielsweise Lieferbehinderungen in Folge Streiks oder Aussperrung eine Berufung auf „höhere Gewalt“ nicht zulassen, wenn dies nicht ausdrücklich so vereinbart ist. Denn ein Streik ist nun einmal nicht per se ein „unabwendbares“ Ereignis. Welche rechtlichen Folgen der Ausbruch einer Pandemie wie etwa das Corona-Virus auf vertragliche Verpflichtungen hat, ist von Fall zu Fall zu beurteilen. Entscheidend ist die Frage, ob die Auswirkungen, welche eine solche Pandemie auf einen konkreten Produktionsprozess hat, aus Sicht des Unternehmens unabwendbar waren oder nicht.

Ohne vertragliche Klauseln hierzu kommt es beispielsweise darauf an, ob die Nichtbelieferung eines Herstellers mit Rohmaterial oder Halbfertigprodukten rechtlich als Unmöglichkeit gewertet werden kann oder nicht. Sicher ist dies nur der Fall, wenn sämtliche Hersteller eines entsprechenden Vorprodukts oder Rohmaterials aus Gründen der Pandemie nicht zur Lieferung in der Lage sind. Klauseln zu Höherer Gewalt im Vertrag sollten daher immer auch begleitet werden durch Klauseln, die den Lieferanten bei Störungen in der Lieferkette von den vertraglichen Verpflichtungen gegenüber seinen Kunden befreien.

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