Vorsteuerabzug auch bei fehlender Leistung?
In zwei Urteilen vom 31.05.2018 (Rechtssachen Kollroß und Wirtl, C-660/16 und C-661/16) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf Vorlage des Bundesfinanzhofs (BFH V R 29/15 und XI R 44/14) entschieden, dass ein Vorsteuerabzug aus Anzahlungen aus Gründen des Vertrauensschutzes grundsätzlich auch dann bestehen bleiben kann, wenn es letztlich nicht zur Ausführung einer vereinbarten Leistung kommt, der Rechnungsaussteller die ausgewiesene Umsatzsteuer aber an das Finanzamt abgeführt hat.
Denn in einem solchen Fall ist das Risiko einer Steuerhinterziehung ausgeschlossen und der Fiskus leitet letztlich den Umsatzsteuerbetrag an den Leistungsempfänger weiter, den er vorher vom Leistenden erhalten hat, ein Ausfallrisiko ist für alle Beteiligten ausgeschlossen. Wusste der Leistungsempfänger zum Zeitpunkt der Anzahlung allerdings positiv oder hätte er vernünftigerweise wissen müssen, dass es niemals zur Ausführung des Umsatzes kommen wird, so ist dieser jedoch nicht schutzwürdig und daher zu Recht mit dem Risiko belastet, vom Rechnungsaussteller den an diesen geleisteten Steuerbetrag nicht zurückzuerhalten.
Nach einem in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen rechtskräftigen Beschluss des Finanzgerichts Nürnberg vom 15.08.2018 (2 V 888/18) setzt der Vorsteuerabzug unter Vertrauensschutzgesichtspunkten voraus, dass der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer gutgläubig war und alles getan hat, was von ihm in zumutbarer Weise verlangt werden kann, um die Richtigkeit der Rechnungsangaben zu prüfen. Auf die Erbringung der Leistung selbst bezieht sich hiernach der Vertrauensschutz jedoch nicht. Im Ergebnis ist daher unvermindert auch aus umsatzsteuerlicher Sicht zu empfehlen, vor Vertragsschluss und der Leistung von Anzahlungen die Seriosität und Bonität des Vertragspartners zu prüfen und das Risiko der Rückzahlung von grundlos geleisteten Anzahlungen durch geeignete Maßnahmen abzusichern.