Verfassungswidrigkeit von Nachzahlungszinsen in Höhe von 6 % p.a.?
Steuerforderungen des deutschen Fiskus aus der Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer (sowie der Umsatzsteuer), sind 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist, bis zum Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird, in Höhe von 0,5 % pro Monat, also in Höhe von 6 % pro Jahr, zu verzinsen (Nachzahlungszinsen). Ergibt sich für den oben genannten Zeitraum ein Steuerguthaben zugunsten des Steuerpflichtigen, ist auch dieses zu verzinsen (Erstattungszinsen).
Von großer praktischer Bedeutung ist die Verzinsung insbesondere für nachträgliche Steuerfestsetzungen aufgrund von steuerlichen Betriebsprüfungen, allein in den letzten zwei Jahren betrugen die Einnahmen des deutschen Fiskus hieraus rund 2 Milliarden Euro. Während Nachzahlungszinsen bei der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage nicht abgezogen werden können, unterliegen Erstattungszinsen vollumfänglich der Besteuerung.
In einem am 14.05.2018 veröffentlichten Beschluss vom 25.04.2018 hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (BFH IX B 21/18) nun schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Nachzahlungszinsen geäußert. Der gesetzlich festgelegte Zinssatz verletzte zumindest ab dem Jahr 2015 den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), da dieser realitätsfern bemessen sei, weil sich im Streitzeitraum ein niedriges Marktzinsniveau strukturell und nachhaltig verfestigt habe. Bereits in seinem Urteil vom 01.07.2014 habe der erkennende Senat im Verfahren IX R 31/13 für Verzinsungszeiträume nach dem 31.02.2011 darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber bei dauerhafter Verfestigung des Niedrigzinsniveaus verfassungsrechtlich prüfen müsse, ob die seit dem Jahr 1961 geltende Zinshöhe auch unter veränderten Umständen beibehalten werden könne.
Bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren sollte daher gegen die Festsetzung von Nachzahlungszinsen Rechtsmittel eingelegt und Aussetzung der Vollziehung beantragt werden.