Vereinbarung eines „neutralen Gerichtsstands“
Immer wieder stellt man fest, dass Unternehmen bei der Gestaltung internationaler Verträge Regelungen zum Gerichtsstand entweder „vergessen“ oder diese in letzter Minute der Verhandlungen zu Kopfzerbrechen führen. Denn bei Unternehmen aus verschiedenen Ländern versucht jede Seite das Recht des eigenen Landes und einen Gerichtsstand im eigenen Land durchzusetzen. Dies kann naturgemäß nur einer Partei gelingen und die andere hat dann das Nachsehen.
Deshalb wird bei Vertragsverhandlungen häufig ins Gespräch gebracht, ein „neutrales Recht“ und einen „neutralen Gerichtsstand“ zu vereinbaren. Nicht selten denken die Parteien in Europa dann an einen Gerichtsstand in der Schweiz.
Bei sämtlichen Gerichtsstandsvereinbarungen, erst recht bei der Vereinbarung eines Gerichtsorts in einem fremden Land, ist jedoch zu bedenken und zu prüfen, ob ein Urteil eines Gerichts dieses anderen Landes überhaupt weiterhilft, insbesondere wenn es erforderlich wird, dieses gegenüber dem anderen Vertragspartner zu vollstrecken. Dies ist grundsätzlich kein Problem, wenn beide Vertragsparteien ihren Sitz in der Europäischen Union haben und auch der Gerichtsstand in der Europäischen Union oder der Schweiz liegen soll. Denn dann sind die in Europa geltenden Abkommen über die justizielle Zusammenarbeit anwendbar, welche die Vollstreckung erleichtern. Gleichwohl sollte man sich vor der Wahl eines europäischen Gerichtsstands außerhalb des eigenen Landes erkundigen, welche Anforderungen an die Formulierung einer Klausel nach dem Prozessrecht des jeweiligen Landes gestellt werden.
Wenn ein „neutraler“ Gerichtsstand innerhalb der EU gewählt wird, der Vertragspartner, gegen den gegebenenfalls vollstreckt werden müsste, seinen Sitz aber außerhalb der EU hat, ist in jedem Falle zu prüfen, ob eine Vollstreckbarkeit für ein etwaiges Urteil gegeben ist. In manchen Konstellationen - z.B. bei einem Urteil eines schweizerischen Gerichts, das gegen einen Vertragspartner in Indien vollstreckt werden soll - ist im Vollstreckungsstaat ein neues eigenständiges Verfahren einzuleiten; dies kostet Zeit und Geld und führt die Gerichtsstandsvereinbarung ad absurdum. In einer solchen oder vergleichbaren Konstellation bietet sich eher der Abschluss einer Schiedsverfahrensklausel an. Denn anders als die Anerkennung von Urteilen staatlicher Gerichte richtet sich die Durchsetzung von Schiedssprüchen nach dem New Yorker Abkommen (1958), dem weltweit bisher mehr als 150 Staaten beigetreten sind.