Umsatzsteuerlicher Vertrauensschutz bei rechtswidrigen Verwaltungsanweisungen
Im deutschen Steuerrecht wird der Grundsatz des Vertrauensschutzes, der für Rechtsverhältnisse im Zivilrecht in § 242 BGB (Leistung nach Treu und Glauben) ausdrücklich geregelt ist, aus dem Rechtsstaatsprinzip vom Art. 20 Abs. 2 und 3 GG abgeleitet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gilt insbesondere auch für das Umsatzsteuerrechtsverhältnis, dass auf die berechtigten Interessen des anderen Beteiligten Rücksicht genommen werden muss.
Der Grundsatz von Treu und Glauben bindet nicht nur die Finanzverwaltung, sondern auch den Steuerpflichtigen, der etwa daran gehindert sein kann, ein ihm zustehendes Recht geltend zu machen, wenn er damit gegen berechtigte Belange der Finanzbehörde verstoßen würde und sich zu seinem eigenen früheren Verhalten in Widerspruch setzt (vgl. hierzu zuletzt Urteile vom 16.3.2023 BFH V R 14/21 und V R 45/19 für Fragen der Antragsstellung im Rahmen der umsatzsteuerlichen Organschaft).
In verschiedenen Vorschriften der Abgabenordnung (AO) finden sich verfahrensrechtliche Ausprägungen des Vertrauensgrundsatzes. So können etwa nach § 204 AO im Anschluss an eine steuerliche Außenprüfung auf Antrag des Steuerpflichtigen verbindliche Zusagen zur Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts in der Zukunft getroffen werden (zu den Voraussetzungen für verbindliche Auskünfte der deutschen Finanzverwaltung außerhalb von steuerlichen Außenprüfungen vgl. Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 29.12.2003 (BMF IV A 4 - S 0430 - 7/03), zur ausnahmsweisen Berücksichtigung besonderer Umstände aus Billigkeitsgründen kann etwa eine Steuer abweichend festgesetzt (§ 163 AO) oder erlassen werden (§ 227 AO).
Nach § 176 Abs. 2 AO darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, einer obersten Bundes- oder Landesbehörde von einem obersten Gerichtshof des Bundes (insbesondere des BFH) als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend bezeichnet worden ist. Nach einem jüngst veröffentlichten Urteil des eines der für umsatzsteuerliche Fragen zuständigen Senats des Bundesfinanzhofs vom 24.8.2023 (BFH V R 49/20) greift diese Vorschrift jedoch nur dann ein, wenn sich die Rechtsprechung in der Zeit vor dem Erlass eines Änderungsbescheids geändert hat, nicht jedoch, wenn zunächst ein Änderungsbescheid ergeht und erst im Anschluss hieran eine Rechtsprechungsänderung erfolgt, durch die der Änderungsbescheid rechtlich legitimiert wird. Zu beachten ist jedoch, dass der Rechtsschutz nach § 176 Abs. 2 AO über § 27 Abs. 19 UStG eingeschränkt wurde, um Steuerausfälle in denjenigen Fällen zu vermeiden, in denen ein Bauträger die von ihm irrtümlich an das FA abgeführte Steuer nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG vom Finanzamt zurückfordert.
Vor diesem Hintergrund ist eine laufende Verfolgung der Entwicklungen bei Äußerungen der deutschen Finanzverwaltung sowie in Rechtsprechung und Gesetzgebung sowie zeitnahe verfahrensrechtliche Maßnahmen zu empfehlen, um sich erfolgreich auf den Vertrauensschutz berufen zu können.