Steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnverteilung und –verwendung bei Kapitalgesellschaften (3)
In unseren Beiträgen zu den Ausgaben Februar 2022 und März 2023 dieses Newsletters hatten wir über die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Frage der steuerlichen Anerkennungen von Gewinnverwendungsbeschlüssen von Kapitalgesellschaften in der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) berichtet, die mit Zustimmung aller Gesellschafter erfolgen, aber in unterschiedlicher Form den im Gesellschaftsvertrag getroffenen Regelungen widersprechen, etwa weil Ausschüttungen von der darin vorgesehenen Beteiligungsquote abweichen oder nur an einzelne Gesellschafter erfolgen, der Gewinnanteil anderer Gesellschafter jedoch in eine personenbezogene Rücklage eingestellt wird.
Während nach früherer Auffassung des Bundesfinanzministeriums (BMF) die steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen von der Finanzverwaltung nur unter sehr engen Voraussetzungen anerkannt wurde (vgl. BMF-Schreiben vom 17.12.2013 IV C 2-S 2750-a/11/10001), schließt sich das BMF nun in einem aktuellen Schreiben vom 04.09.2024 der dem Vorgängerschreiben widersprechenden Auffassung des BFH in den vorgenannten Urteilen an und nimmt ausführlich zur steuerlichen Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen Stellung (BMF IV C 2-S 2742/19/10004:003).
Während dem Gesellschaftsvertrag widersprechende Gesellschafterbeschlüsse mit Dauerwirkung zivilrechtlich nichtig und damit auch weiter steuerlich nicht anzuerkennen sind, werden einstimmig getroffene punktuell satzungsdurchbrechende Beschlüsse bei Kapitalgesellschaften in der Rechtsform der GmbH steuerlich nunmehr anerkannt. Inkongruente Gewinnausschüttungen von Gesellschaften in der Rechtsform der Aktiengesellschaft werden demgegenüber auch weiterhin nur dann steuerlich anerkannt, wenn in der Satzung in Übereinstimmung mit § 60 Abs. 3 AktG ein vom Verhältnis der Anteile am Grundkapital abweichender Gewinnverteilungsschlüssel festgelegt wurde und die Ausschüttung diesem Verhältnis entspricht; eine inkongruente Gewinnausschüttung aufgrund einer sog. Öffnungsklausel in der Satzung, die die Entscheidung hierüber der Gesellschafterversammlung überträgt, oder eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses erfüllt diese Voraussetzung demgegenüber nicht.
Dass neben ertragsteuerlichen Fragen stets auch die Schenkungssteuer im Blick zu behalten ist, zeigt ein jüngst veröffentlichtes Urteil des BFH vom 19.06.2024 (II R 40/21): Haben Gesellschafter einer GmbH wirksam vereinbart, dass Leistungen in die Kapitalrücklage gesellschafterbezogen zugeordnet werden, wird jedoch die Kapitalrücklage im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung abweichend hiervon allen Gesellschaftern entsprechend ihren im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Beteiligungsquoten zugerechnet, kann der Verzicht auf einen angemessenen Wertausgleich durch den Gesellschafter, der die Leistungen erbracht hat, eine steuerpflichtige freigebige Zuwendung zugunsten der Mitgesellschafter darstellen.
Die Nutzung der vorhandenen Gestaltungsspielräume erfordert daher eine sorgfältige Prüfung und Planung sowohl in zivilrechtlicher als auch in steuerlicher Hinsicht.