Spanien: Tribunal Supremo ändert überraschend seine Rechtsprechung zur Berechnung des Handelsvertreterausgleichsanspruches
Der Kundenstammausgleich des Handelsvertreters ist gesetzlich geregelt. Es existieren aber keine Regelungen darüber, wie die Höhe des Ausgleichsanspruchs konkret zu berechnen ist. Das Gesetz sieht nur eine Deckelung bei einer Jahresprovision berechnet aus dem Durchschnitt der zurückliegenden 5 Jahre vor. Wenn das Vertragsverhältnis kürzer gedauert hat, wird die tatsächliche Vertragslaufzeit zu Grunde gelegt. Deshalb liegt der Schwerpunkt der Diskussion in der Praxis oft in der Bestimmung der Höhe des Ausgleichsanspruchs. Hierzu werden im Rechtsstreit regelmäßig entsprechende betriebswirtschaftliche Gutachten vorgelegt.
Gerade aufgrund einer fehlenden gesetzlichen Regelung über die konkrete Berechnung des Ausgleichsanspruchs, sind die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze von elementarer Bedeutung. Die spanische Rechtsprechung hat bislang relativ holzschnittartig die Höhe des Ausgleichsanspruchs auf der Grundlage des gesetzlich vorgesehenen und von den Parteien gutachterlich nachgewiesenen Höchstbetrag (1 Jahresprovision) ermittelt. Vom Höchstbetrag wurde dann ein prozentualer „Korrekturabschlag“ vorgenommen. Die Höhe des Abschlags konnte sich nach verschiedenen Faktoren bestimmen, wie z.B. die Bekanntheit der Marke, wesentliche Unterstützung durch den Prinzipal bei der Bewerbung der Vertragsprodukte, Fluktuation der Kundenbeziehungen.
Diese allgemein anerkannte Regel zur Bestimmung der Höhe des Ausgleichsanspruchs wurde nun seitens des Tribunal Supremo in zwei Entscheidungen vom 1. Juni und 14. Oktober 2020 für mit dem Handelsvertretervertragsgesetz unvereinbar erklärt.
In seiner knappen Begründung führt der Tribunal Supremo aus, dass der von den Gerichten zur Anwendung gebrachte „Korrekturabschlag“ nicht von den zwingend anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen des Handelsvertretergesetzes vorgesehen sei. Die von den Instanzgerichten vorgenommene Reduzierung des Ausgleichsanspruchs sei daher nicht gesetzeskonform.
Diese neue Rechtsprechung führt letztlich zur automatischen Anwendung des gesetzlich vorgesehenen Höchstbetrages von 1 Jahresprovision, was in der Praxis den Handelsvertreter wesentlich besserstellt. Aus Sicht des Verfassers ist damit zu rechnen, dass der Tribunal Supremo bei nächster Gelegenheit diesen überraschenden Schwenk in seiner Rechtsprechung aufklären wird.