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Kann eine Tochtergesellschaft eine Betriebsstätte ihrer ausländischen Muttergesellschaft sein?

31/01/2020
| Beatriz Junoy, Andreu Bové
Betriebsstätte ihrer ausländischen Muttergesellschaft

Für ausländische Unternehmen, die in der EU tätig werden möchten, ist es wichtig zu wissen, wann eine Firmenstruktur den Status einer Betriebsstätte für Mehrwertsteuerzwecke hat.

In diesem Zusammenhang ist die Vorabentscheidung von Generalanwältin Kokott in der Rechtssache C-547/18 darüber, ob eine Tochtergesellschaft eine Betriebsstätte darstellt oder nicht, relevant. Dabei ging es um ein koreanisches Unternehmen, das als Muttergesellschaft einer Tochtergesellschaft in Polen eine Dienstleistung von einem polnischen Unternehmen unter Vertrag genommen hatte. Da dieser Auftrag über die Tochtergesellschaft erteilt wurde, ist es umstritten, ob die Dienstleistung tatsächlich für die Muttergesellschaft oder für die Tochter-gesellschaft erbracht wurde. Schließlich stellte das polnische Unternehmen seinem koreanischen Kunden Rechnungen ohne Mehrwertsteuer aus. Die polnischen Behörden waren dann der Ansicht, dass die Muttergesellschaft aufgrund der “Nutzung des wirtschaftlichen Potenzials” ihrer Tochter-gesellschaft eine Betriebsstätte in Polen hatte und wiesen die entsprechende Mehrwertsteuer aus. Darüber hinaus waren sie der Ansicht, dass der Dienstleister hätte überprüfen und feststellen müssen, dass der tatsächliche Dienstleistungsempfänger die Tochtergesellschaft war.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat dieses Thema noch nicht geklärt. Die GA führt jedoch aus, dass die Tatsache, dass eine Mutter-gesellschaft aus einem Drittland eine Tochtergesellschaft in einem Mitgliedsstaat hat, für die Muttergesellschaft keine Betriebsstätte darstellt, da es sich um ein rechtlich unabhängiges Steuersubjekt handelt. In diesem Fall gehören sie auch nicht zur gleichen MwSt.-Gruppe, da sie in verschiedenen Ländern ansässig sind. Darüber hinaus wäre eine Übertragung der steuerlichen Verantwortung ungewöhnlich, da die Muttergesellschaft nicht alle Transaktionen einer anderen Rechtsperson kennen muss, auch dann nicht, wenn es sich um eine Tochtergesellschaft handelt.

Eine andere Schlussfolgerung könnte gezogen werden, wenn gegen das Verbot missbräuchlicher Praktiken verstoßen würde1. Ein Missbrauch ist jedoch ausgeschlossen, da die koreanische Firma das polnische Unternehmen direkt und nicht etwa über ihre Tochtergesellschaft beauftragt hat.

Schließlich weist die GA darauf hin, dass in den Vorschriften nicht vorgesehen ist, welche Kontrollen der Dienstleister durchführen muss um herauszufinden, ob eine Tochtergesellschaft eine Betriebsstätte darstellt. In dieser Hinsicht sei der Dienstleister, abgesehen von der Erfüllung angemessener Sorgfaltspflichten, nicht verpflichtet, die Beziehung zwischen der Muttergesellschaft und ihren Tochtergesellschaften zu untersuchen.

In Erwartung der Entscheidung des EuGH in dieser Angelegenheit sei an das Urteil 519/2018 des spanischen Obersten Gerichtshofs vom 23. März 2018 in einer ähnlichen Angelegenheit erinnert, das vergleichbare Argumente wie die jetzt dargelegten enthält.

1EuGH Rechtssache C-255/02, 21.02.2006, Halifax

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