Ist eine Streitverkündung in Schiedsverfahren möglich?
Viele Unternehmen betrachten Schiedsverfahren als die für sie beste Alternative zu einem Rechtsstreit vor einem staatlichen Gericht. Hierfür spricht zum einen, dass Schiedsverfahren in der Regel schneller abgeschlossen werden als Rechtsstreitigkeiten vor staatlichen Gerichten; in Schiedsverfahren gibt es nur eine einzige Instanz und diese sind nicht öffentlich. Das heißt, die Tatsache, dass es überhaupt zwischen zwei Unternehmen einen Rechtsstreit gibt und über welche Fragen gestritten wird, ist der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Dies hat besondere Bedeutung für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen, die vielfach bei rechtlichen Auseinandersetzungen eine Rolle spielen können.
Bisher ist es allerdings in den allermeisten Schiedsverfahrensordnungen nicht möglich, eine dritte Partei in einen Rechtsstreit in der Weise hineinzuziehen, dass die dritte Partei die Wirkungen des Rechtsstreits zwischen zwei Parteien gegen sich gelten lassen muss, ohne selbst Prozesspartei geworden zu sein. Im deutschen Zivilprozessrecht wird dies durch das Institut der sog. Streitverkündung erreicht. Durch die Streitverkündung – beispielsweise durch das beklagte Unternehmen – wird die dritte Partei nicht unmittelbar Prozessgegner, aber das Ergebnis des Rechtsstreits kann dieser dritten Partei in einem Folgeprozess entgegengehalten werden. Der Streitverkündungsempfänger kann z.B. im Folgeprozess Zeugenaussagen oder auch die Feststellungen in einem Sachverständigengutachten nicht mehr in Zweifel ziehen. Außerdem kann durch die Streitverkündung eine Verjährungsfrist gegen den Streitverkündungsempfänger gehemmt werden.
Nach langen Diskussionen hat nun die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) die Streitverkündung in Schiedsverfahren als Option eingeführt. Die rechtsstaatliche Ausgestaltung einer Streitverkündung in Schiedsverfahren ist allerdings an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Denn der Streitverkündungsempfänger in einem Schiedsverfahren muss bereits auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts Einfluss nehmen können. Anders als beim staatlichen Gericht obliegt den Parteien des Schiedsverfahrens selbst die Bestimmung des oder der Schiedsrichter und ein Schiedsverfahren ist nur dann rechtsstaatlich anzuerkennen, wenn auch der Streitverkündungsempfänger Gelegenheit hatte, auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts Einfluss zu nehmen. Die Streitverkündung ist daher nur ganz zu Beginn des Schiedsverfahrens möglich. Die Ergänzenden Regeln für Streitverkündungen (DIS-ERS) müssen bereits in der Schiedsverfahrensklausel vereinbart werden. Der Streitverkündungsempfänger hat auch im Schiedsverfahren die Möglichkeit, dem Verfahren beizutreten und eine aktive Rolle zu übernehmen; er kann aber auch entscheiden, nicht beizutreten. Die beschriebenen Wirkungen einer Streitverkündung treten unabhängig von seinem Beitritt ein.
In Zukunft werden Unternehmen bei der Gestaltung von Schiedsverfahrensklauseln also die Option zu einer Streitverkündung in Betracht ziehen müssen.