Insolvenzgründe in Deutschland | LEX | Das deutsch-spanische Rechtsportal Direkt zum Inhalt

Insolvenzgründe in Deutschland

30/09/2025
| Ignacio Ordejón Zuckermaier
Insolvenzgründe in Deutschland

Das deutsche Insolvenzrecht kennt drei zentrale Insolvenzgründe. Bei zweien davon muss – abhängig von der Rechtsform – zwingend ein Insolvenzverfahren eröffnet werden. Einer der Gründe ermöglicht eine frühzeitige Antragstellung. Der folgende Überblick beschreibt kurz deren Kriterien.

1) Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO)

Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Unternehmen fällige Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen kann und eine kurzfristige Besserung nicht absehbar ist. Typisches Indiz ist eine faktische Zahlungseinstellung, etwa ausbleibende Löhne, Steuern oder Lieferantenrechnungen. Abzugrenzen ist die bloße Zahlungsstockung: Kurzfristige Engpässe, die in überschaubarer Zeit aufgeholt werden, begründen noch keinen Insolvenzantrag. Maßgeblich ist die dauerhafte Unterdeckung der fälligen Zahlungen. Der BGH hat hierfür eine klare Richtschnur vorgegeben: „Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird.“ Kann der Schuldner also mindestens 10% seiner fälligen Verbindlichkeiten über einen Zeitraum von drei Wochen nicht begleichen, liegt Zahlungsunfähigkeit vor.

2) Überschuldung (§ 19 InsO)

Überschuldung betrifft vor allem Kapitalgesellschaften und andere haftungsbeschränkte Rechtsformen. Sie liegt vor, wenn das Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht deckt. Entscheidend ist jedoch die Fortbestehensprognose: Ist die Unternehmensfortführung in den kommenden zwölf Monaten überwiegend wahrscheinlich, liegt trotz rechnerischer Unterdeckung keine Überschuldung vor. In der Praxis erfolgt daher eine zweistufige Prüfung: (1) Fortbestehensprognose, (2) Überschuldungsbilanz mit Ansatz der zutreffenden Bewertungsmaßstäbe (Going‑Concern‑ vs. Liquidationswerte).

3) Drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO)

Drohende Zahlungsunfähigkeit bedeutet, dass ein Unternehmen voraussichtlich künftig nicht in der Lage sein wird, fällige Verbindlichkeiten zu bedienen. Grundlage ist eine Liquiditätsplanung mit Prognosehorizont (Regelfall bis zu 24 Monate). Dieser Insolvenzgrund eröffnet ein Verfahren nur auf Eigenantrag; er dient damit als Frühwarn‑ und Sanierungsinstrument, um strukturiert gegenzusteuern, bevor Zahlungsunfähigkeit eintritt.

4) Antragspflichten und Fristen

Organe von Kapitalgesellschaften haben bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ohne schuldhaftes Zögern Insolvenzantrag zu stellen. Gesetzlich vorgegeben sind Maximalfristen: bei Zahlungsunfähigkeit regelmäßig bis zu drei Wochen, bei Überschuldung bis zu sechs Wochen. Diese Fristen dienen der geordneten Abwicklung und der Haftungsvermeidung. Ein Zuwarten über die Fristen hinaus erhöht zivil‑ und strafrechtliche Risiken (Stichwort: Insolvenzverschleppung).

5) Praktische Orientierung für Unternehmen

Welche Leitlinien ergeben sich daraus für ein Unternehmen? Folgende Grundsätze lassen sich festhalten:

  • Liquiditätssteuerung: Einrichtung einer rollierenden 13‑Wochen‑Planung mit wöchentlichem Update; Abgleich fälliger Zahlungen und verfügbarer Mittel.
  • Fortbestehensprognose: Für haftungsbeschränkte Rechtsformen Erstellung einer belastbaren integrierten Planung (GuV, Bilanz, Cashflow) über mindestens zwölf Monate.
  • Dokumentation: Saubere, datumsnahe Unterlagen zur Zahlungsfähigkeit, Finanzierungszusagen und Maßnahmenpaketen sind zentral.
  • Frühzeitige Maßnahmen: Verhandlungen mit Finanzierungspartnern, Kostenprogramme, Working‑Capital‑Hebel und – bei drohender Zahlungsunfähigkeit – Nutzung sanierungsfreundlicher Instrumente.
  • Governance: Regelmäßige Berichtslagen an Geschäftsleitung/Aufsichtsgremien, klare Verantwortlichkeiten und Eskalationspfade.

Fazit:

Zahlungsunfähigkeit ist der harte Krisenindikator und eröffnet das Verfahren zwingend. Überschuldung betrifft vor allem haftungsbeschränkte Unternehmen und hängt wesentlich von der Fortbestehensprognose ab. Drohende Zahlungsunfähigkeit fungiert als Frühwarnsystem und ermöglicht es, Sanierungsschritte geordnet einzuleiten. Eine sorgfältige Planung, transparente Dokumentation und die Beachtung der Antragsfristen sichern Handlungsfähigkeit und reduzieren Haftungsrisiken.

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?

Teilen Sie ihn in den sozialen Netzwerken!