Handelsvertreter und Vertragshändler im Ausland – Ausgleichsanspruch, ja oder nein?
Wer Produkte im Ausland absetzen will, setzt häufig Vertriebsmittler ein. Der Direktvertrieb scheitert aus Mangel an Ressourcen und Kenntnis des Ziellandes. Ein deutsches Maschinenbauunternehmen möchte seine Ware in Mexiko verkaufen, kennt aber die dortigen Abnehmer gar nicht. Ein spanisches Unternehmen möchte seine Mountainbikes in Deutschland verkaufen, müsste aber dafür alle einzelnen Händler kontaktieren.
In beiden Fällen helfen Vertriebsmittler. Das sind Handelsvertreter, also selbstständige Unternehmer, die für einen Dritten Abschlüsse vermitteln. Das sind aber auch Vertragshändler, ebenfalls selbstständige Unternehmer, die aber im Gegensatz zum Handelsvertreter die Ware selbst ankaufen und dann weiterverkaufen. Vertragshändler sind mehr als ein reiner Wiederverkäufer. Sie übernehmen das Marketing im Vertragsgebiet, besuchen Messen, schulen Personal und wickeln Garantien ab.
Das ist attraktiv für Produzenten, aber ein Haken bleibt: der Ausgleichsanspruch. Der ist zwar im Einzelfall schwer zu berechnen, kann aber schnell eine Jahresprovision (Handelsvertreter) oder die (bereinigte) Marge eines Jahres (Vertragshändler) betragen. Aber bekommt der ausländische Handelsvertreter oder Vertragshändler diesen Ausgleichsanspruch immer?
Die immer richtige Antwort lautet: Es kommt darauf an. Entscheidend ist, welches Recht anwendbar ist. Das anwendbare Recht lässt sich aber nicht ermitteln, ohne zu wissen, welches Gericht oder Schiedsgericht über den Anspruch entscheidet. Der Einzelfall ist entscheidend, aber Fallgruppen lassen sich unterscheiden:
- Produzent und Handelsvertreter / Vertragshändler in der EU / EWR:
Sitzen alle Beteiligten in der EU oder im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) lässt sich ein Ausgleichsanspruch effektiv nicht ausschließen. Auch die Rechtswahl zugunsten eines anderen Rechts, um dem Handelsvertreter / Vertragshändler den Anspruch zu entziehen, hilft nicht.
Der Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers setzt aber voraus, dass er auch tatsächlich ein Vertragshändler ist, also wie ein Handelsvertreter in die Vertriebsorganisation des Produzenten eingebunden ist. Außerdem muss er die Kundendaten bei Vertragsschluss vertraglich abgeben, um einen Ausgleichsanspruch zu haben.
- Produzent in der EU und Handelsvertreter / Vertragshändler außerhalb:
Das deutsche Recht und viele andere europäische Rechtsordnungen lassen einen Ausschluss des Anspruchs zu, wenn der Handelsvertreter seine Tätigkeit außerhalb Europas ausübt. Was für ihn gilt, gilt ebenso auch für den Vertragshändler.
Bei aller Komplexität lässt sich die Frage des Ausgleichsanspruches also zumindest auf den Einsatzort zurückführen. Der Ausgleichsanspruch lässt sich ausschließen, wenn der Handelsvertreter oder Vertragshändler außerhalb Europas tätig wird, sonst grundsätzlich nicht. Alles Weitere ist eine Frage der Vertragsgestaltung.