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Gerichtliche Zuständigkeit bei Klagen gegen Mutter- und Tochtergesellschaft

30/05/2025
| Dr. Thomas Rinne, Lidia Minaya Moreno
Gerichtliche Zuständigkeit bei Klagen gegen Mutter- und Tochtergesellschaft

Fragen der gerichtlichen Zuständigkeit sind nicht nur von theoretischer Bedeutung, sondern häufig entscheidend für den Ausgang einer Rechtsstreitigkeit. Wer an einem unzuständigen Gericht im Ausland klagt, verliert die Klage allein wegen der nicht gegebenen Zuständigkeit. Eine neue Klage an dem tatsächlich zuständigen Gericht zu erheben ist nicht nur zeitaufwendig, sondern auch kostenträchtig. Hierzu ist die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 13.02.2025 (C-393/23 Athenian Brewery SA u.a. ./. Macedonian Thrace Brewery SA) von Relevanz. Sie behandelt die Frage der Zuständigkeit bei gleichzeitigen Klagen gegen Mutter- und Tochtergesellschaft vor demselben Gericht, wenn sie ihren Sitz in verschiedenen Ländern haben. Im konkreten Fall ging es um die Brauerei Heineken in Amsterdam/Niederlande und deren Tochtergesellschaft in Griechenland.

Beide Gesellschaften wurden verklagt, weil eine gesamtschuldnerische Haftung festgestellt werden sollte für Wettbewerbsverstöße in Griechenland. Die Muttergesellschaft hatte zum relevanten Zeitpunkt einen Anteil an der Tochtergesellschaft von mehr als 98%. Es lag nahe, die Klage vor demselben Gericht zu erheben, weil es aus Sicht des Klägers bei der Mutter- und Tochtergesellschaft um dieselben Rechtsfragen ging. Sofern eine Gesellschaft direkt oder indirekt das gesamte oder nahezu das gesamte Kapital an ihrer Tochtergesellschaft hält, wird vermutet, dass sie beherrschenden Einfluss auf die Tochtergesellschaft hat und damit kommt auch eine Haftung der Muttergesellschaft für Fehlverhalten der Tochtergesellschaft in Betracht. Prozessual kommt hier Art. 8 Nr.1 der Brüssel-Ia-Verordnung ins Spiel. 

Danach können mehrere Gesamtschuldner vor demselben Gericht auch dann verklagt werden, wenn eine der Beklagten ihren allgemeinen Gerichtsstand (den am Sitz des Unternehmens) in einem anderen Mitgliedsland hat. Voraussetzung hierfür, dass zwischen den Klagen gegen Mutter- und Tochtergesellschaft eine “so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Behandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten“. Diese Ausnahme von Sitzprinzip bei der gerichtlichen Zuständigkeit ist aber stets im Einzelfall zu prüfen; sie darf aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit nicht ausufernd angewendet werden. Stets muss ein Unternehmen vorhersehen können, vor welchem Gericht ein denkbarer Rechtsverstoß verhandelt werden wird.

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