EuGH-Urteil in der Rechtssache Lass Diarra – Ein neuer Fall Bosman?
Fast dreißig Jahre nach dem „Bosman-Urteil“, das die Beschränkung ausländischer (EU-)Spieler in Fußballmannschaften beendete und das Recht von Fußballspielern sicherstellte, sich nach Ablauf ihres Vertrags mit ihrem vorherigen Verein ohne das Erfordernis einer Ablösesumme einem neuen Verein anschließen zu können, hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) kürzlich ein weiteres Urteil mit Folgen für das Spielertransfersystem der FIFA gefällt.
Im August 2014 kündigte der russische Verein Lokomotive Moskau den Profivertrag seines Spielers Lass Diarra und forderte zusätzlich eine Entschädigung in Höhe von 20 Millionen Euro wegen ungerechtfertigten Vertragsverstößen seitens des Spielers. Diese Entschädigungsforderung stützt sich auf das FIFA-Reglement über den Status und den Transfer von Spielern (RSTS), welches in Artikel 17.2 außerdem festlegt, dass sowohl der Spieler als auch sein neuer Verein zur Zahlung der zugesprochenen Entschädigung verpflichtet sind. Diese gesamtschuldnerische Haftung eines neuen Vereins ist für den Fall und das Urteil von entscheidender Bedeutung, da sie es einem Verein erschwert oder sogar unmöglich macht, einen Spieler unter Vertrag zu nehmen, wenn der ehemalige Verein eine Entschädigung für die ungerechtfertigte Beendigung des Vertrags fordert, zumal der neue Verein nicht wissen kann, wie hoch die Entschädigung ist, d. h. welches finanzielle Risiko besteht. Darüber hinaus sieht das RSTS sportliche Sanktionen für den Spieler und den neuen Verein, sowie die Unmöglichkeit für den neuen Verein, den Spieler zu registrieren solange der Streit über die Vertragsauflösung mit dem ehemaligen Verein anhängig ist, vor. Im vorliegenden Fall wollte der belgische Verein Sporting Charleroi Lass Diarra im Februar 2015 verpflichten, tat dies aber nicht, weil er befürchtete, eine Entschädigung an Lokomotive Moskau zahlen und die anderen vom RSTS festgelegten Folgen tragen zu müssen.
Der EuGH stellt in seinem Urteil fest, dass das Transfersystem der FIFA das Grundrecht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der Europäischen Union, das in Artikel 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) garantiert ist, einschränken kann und daher gegen EU-Recht verstößt. Dies erscheint logisch, da die Tatsache, dass ein Verein aus einem EU-Land einen Spieler nur deshalb nicht verpflichtet, weil er das in dem RSTS vorgesehene Entschädigungs- und Sanktionsrisiko nicht tragen will, die Möglichkeit eines Fußballspielers als Arbeitnehmer, seine Arbeit in einem anderen EU-Land auszuüben, eindeutig einschränkt. Darüber hinaus stellt der EuGH Unvereinbarkeiten mit den EU-Wettbewerbsregeln fest.
Die Auswirkungen des Urteils auf den Profifußball sind zwar weitaus geringer als die des Bosman-Urteils, da es nicht das gesamte Spielertransfersystem in Frage stellt, andererseits verpflichtet es die FIFA aber, wichtige Änderungen an bestimmten Regeln zur Vertragsstabilität zwischen Spielern und Vereinen vorzunehmen.