EuGH: Eine Tochtergesellschaft zu haben, bedeutet nicht automatisch, dass man den Status einer Betriebsstätte für MwSt.-Zwecke hat
In einer zunehmend globalisierten Welt ist es üblich, dass Transaktionen von Unternehmen realisiert werden, die in verschiedenen Ländern ansässig sind. Stellen wir uns z.B. vor: Beim Dienstleister handelt es sich um ein spanisches Unternehmen und beim Leistungsempfänger um ein koreanisches.
Was zunächst einmal zu klären ist, sind die steuerlichen Auswirkungen für die beteiligten Unternehmen (in unserem Beispiel stellt sich u.a. die Frage, ob die Transaktion die spanische Mehrwertsteuer ausweisen muss oder nicht). Zu diesem Zweck ist hauptsächlich zu klären, ob das an der Transaktion beteiligte, nichtansässige Unternehmen eine Betriebsstätte im anderen Land hat oder nicht. Der Begriff der Betriebsstätte steht für einen festen Geschäftsstandort, was eine Tochtergesellschaft, ein Büro, eine Fabrik oder ein Vertreter sein kann, der befugt ist, im Namen und Auftrag des Unternehmens in einem anderen Land Verträge abzuschließen. Ob das Unternehmen über eine Betriebsstätte verfügt oder nicht, hat Auswirkungen sowohl auf die Pflichten, die das nichtansässige Unternehmen in dem anderen Staat u.U. erfüllen muss, als auch auf die Besteuerung gewisser Transaktionen.
Zurück zu unserem Beispiel: Das spanische Unternehmen muss für seine Dienstleistung eine Rechnung mit spanischer MwSt. ausstellen, wenn der Dienstleistungsempfänger eine in Spanien ansässige Betriebsstätte der koreanischen Firma ist; andernfalls muss (unter Berücksichtigung der Dienstleistungsart und ihrer tatsächlichen Nutzung) die Rechnung keine spanische MwSt. ausweisen. Daher ist es für den Dienstleister wichtig zu wissen, ob sein Kunde eine Betriebstätte in Spanien hat oder nicht.
Nun klärt der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil vom 07. Mai 2020 (Rechtsache C-547/18) zwei Themen im Hinblick auf einen vergleichbaren Fall. Laut Urteil des EuGHs kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Unternehmen mit Sitz in einem anderen Land eine Betriebstätte hat, allein deshalb, weil es eine Tochtergesellschaft in einem EU-Mitgliedstaat hat; stellen wir uns vor, dass das beauftragende koreanische Unternehmen eine Tochtergesellschaft in Spanien hat. D.h., der EuGH macht deutlich, dass eine Tochtergesellschaft zwar eine Betriebsstätte für ihre Muttergesellschaft aus einem Drittland darstellen kann, dieser Umstand jedoch nicht ausschließlich von ihrem Status als Tochtergesellschaft abhängt, und somit die Funktionen, die letztere ausübt, in jedem Einzelfall geprüft werden müssen.
Schließlich entscheidet der EuGH folgendes: Erstens ist der Dienstleister nicht verpflichtet, unzumutbare Nachforschungen anzustellen, um herauszufinden, ob das Unternehmen aus einem Drittland, der Auftraggeber, über eine Betriebsstätte tätig ist oder nicht (was entscheidend dafür ist, ob der Dienstleister die Rechnung mit Mehrwertsteuer ausstellen muss oder nicht). Zweitens müssen keineswegs die Vertragsbeziehungen zwischen der Muttergesellschaft mit Sitz in einem Drittland und ihrer Tochtergesellschaft untersucht werden.