EU-Rechtswidrigkeit der Voraussetzungen der ertragsteuerlichen Organschaft?
Unter Organschaft versteht man im deutschen Steuerrecht die Eingliederung eines rechtlich selbständigen, aber finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch abhängigen Unternehmens (sog. Organgesellschaft) in ein anderes (herrschendes) Unternehmen (sog. Organträger). Rechtsfolge einer Organschaft ist die konsolidierte Besteuerung auf Ebene des Organträgers, die Voraussetzungen hierfür sind im Ertragssteuerrecht (Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer) und im Umsatzsteuerrecht unterschiedlich geregelt. Anders als im Umsatzsteuerrecht (vgl. dazu unseren entsprechenden Beitrag in der Ausgabe dieses Newsletters) kann im Ertragssteuerrecht nur eine der Körperschaftsteuer unter liegende juristische Person (z.B. GmbH) Organgesellschaft sein, das Einkommen von Personengesellschaften, die nach deutschem Recht keine juristischen Personen sind (z.B. GmbH & Co KG), wird aufgrund des sog. Grundsatzes der steuerlichen Transparenz ohnehin bei den Gesellschaftern der Körperschaftsteuer (juristische Personen) oder der Einkommensteuer (natürliche Personen) unterworfen (gewerbesteuerlich sind Personengesellschaften eigenständige Steuersubjekte).
Organträger kann im deutschen Ertragssteuerecht nur ein inländisches gewerbliches Unternehmen sein, wobei es sich hierbei um eine Kapitalgesellschaft oder ein anderes Körperschaftsteuersubjekt, eine gewerblich tätige Personengesellschaft oder einen gewerblich tätigen Einzelunternehmer handeln kann. Gewerbesteuerrechtlich wird die Organgesellschaft wie im Umsatzsteuerrecht als unselbständige Betriebsstätte des Organträgers behandelt, im Unterschied zum Umsatzsteuerrecht erfordert die Organschaft im deutschen Ertragssteuerrecht jedoch einen zivilrechtlich wirksam abgeschlossenen und im Handelsregister einzutragenden sog. Ergebnisabführungsvertrag der Organgesellschaft mit dem Organträger, der zur Übernahme eines positiven Einkommens durch den Organträger aber auch zu Verpflichtung führt, Verluste der Organgesellschaft auszugleichen.
Nach einer durch die Vorgaben des EU-Rechts bedingten steuerlichen Gesetzesänderung im Jahr 2013 kann auch eine in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums gegründete Kapitalgesellschaft Beteiligte einer deutschen Organschaft sein, wenn sich der Ort der effektiven Geschäftsleitung in Deutschland befindet.
Die Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main hat mit Rundverfügung vom 12.11.2019 (S 2770 A-55-St 55, FMNR527310019) zur Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen im deutschen Ertragssteuerrecht Ergebnisabführungsverträge von der deutschen Finanzverwaltung anerkannt werden, die nach den Vorschriften ausländischen Rechts abgeschlossen wurden. Grund hierfür dürfte sein, dass die EU-Kommission am 27.07.2019 gegen Deutschland erneut ein sog. Vertragsverletzungsverfahren (Nr. 2019/4053) eingeleitet hat, weil sich die Erfüllung aller formellen Voraussetzungen des deutschen Rechts in der Praxis vielfach als tatsächlich unmöglich erweist.