EU-Rechtswidrigkeit der Rechtsformbeschränkungen bei der umsatzsteuerlichen Organschaft?
Ist eine juristische Person (z.B. GmbH) nach dem Gesamtbild der tatsäch-lichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein anderes Unternehmen (sog. Organträger) eingegliedert, so gilt diese umsatzsteuerlich nicht als eigenständiges Unternehmen, sondern als unselbständiger Unternehmensteil des Organträgers (sog. Organgesellschaft). Steuersubjekt für die Umsatzsteuer ist in einem solche Fall lediglich der Organträger, der für alle unselbständigen Unternehmensteile (sog. Organkreis) steuerpflichtig ist, Geschäfts-beziehungen zwischen dem Organträger und den Organgesellschaften sowie der Organgesellschaften untereinander unterliegen als sog. Innenumsätze nicht der Umsatzsteuer, wobei sich die Wirkung dieser sog. Organschaft auf Innenumsätze zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Anders als bei der körperschaftsteuerlichen Organschaft, die zusätzlich einen zivilrechtlich wirksam abgeschlossenen sog. Gewinnabführungsvertrag zwischen zwei Gesellschaften voraussetzt, die zueinander unmittelbar im Verhältnis Mutter–/ Tochtergesellschaft stehen und deren Wirkungen sich auf die steuerliche Zurechnung des Einkommens an den Organträger und dessen Verpflichtung zur Verlustdeckung beschränken, können umsatzsteuerlich auch Enkel- und Urenkelgesellschaften als Organgesellschaften in den Organkreis eines Organträgers einzubeziehen sein. Während unternehmerisch tätige Personengesellschaften (wie etwa eine GmbH & Co. KG), die nach deutschem Recht keine juristischen Personen sind, Organträger sein können, sieht
§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG für Organgesellschaften eine Beschränkung auf die Rechtsform der juristischen Person vor. Der V. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hält diese Rechtsformbeschränkung auch nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 16.07.2015 (C-108/14 und C-109/14) grundsätzlich weiterhin für zulässig, während der XI. Senat des BFH diese für EU-rechtswidrig hält, soweit nicht die Voraussetzungen von Art. 11 Abs. 2 MwStSystRL vorliegen, also die nationale Rechtsformbeschränkung zur Vermeidung von Steuerhinterziehungen bzw. -umgehungen erlassen wurde.
In einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 27.06.2019 (5 V 2119/19) entgegen der Auffassung der deutschen Finanzverwaltung (Abschnitt 2.8 Abs. 5a UStAE) und der des V. Senats des BFH entschieden, dass bei EU-rechtskonformer Interpretation des Kriteriums der finanziellen Eingliederung auch eine Personengesellschaft umsatzsteuerlich in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert sein kann, soweit der Organträger seinen Willen durch Mehrheitsbeschlüsse in der Organgesellschaft durchsetzen kann, so dass eine Beteiligung anderer Gesellschafter einer umsatzsteuerlichen Organschaft nicht entgegensteht. Mit Beschluss vom 21.11.2019 (5 K 5044/19) hat das FG Berlin-Brandenburg nun dem EuGH ein Vorabentscheidungsersuchen zur Klärung dieser Rechtsfrage vorgelegt (C-868/19).