Eine öffentliche Anhörung für Übernahmeangebote?

Das Übernahmeangebot der BBVA für die Banco Sabadell im Mai 2024 hat in Spanien einen beispiellosen regulatorischen und politischen Prozess ausgelöst. Vor kurzem hat die Nationale Kommission für Märkte und Wettbewerb (CNMC) das Vorhaben genehmigt, nachdem die BBVA eine Reihe von Verpflichtungen eingegangen war, um die möglichen negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb abzumildern. Nach dieser Genehmigung musste der spanische Wirtschaftsminister entscheiden, ob er die Operation dem Ministerrat vorlegt oder ob er sie endgültig genehmigt.
Wenige Tage später kündigte der Regierungspräsident eine beispiellose öffentliche Konsultation an, um Meinungen zum allgemeinen Interesse der Operation einzuholen. Nach Ablauf der gesetzten Frist prüft das Wirtschaftsministerium die eingegangenen Stellungnahmen, um zu entscheiden, ob das Dossier dem Ministerrat vorgelegt wird. Der Ministerrat kann je nach Abwägung des Allgemeininteresses zusätzliche Bedingungen an das Übernahmeangebot knüpfen, wie z. B. die Beibehaltung der Marke Sabadell oder die Begrenzung von Filialschließungen.
Die öffentliche Konsultation hat rechtliche Fragen sowohl auf regulatorischer als auch auf verfahrensrechtlicher Ebene aufgeworfen und eine Debatte über Bankenkonzentration und staatliche Eingriffe in private Transaktionen eröffnet. Stimmen wie die Organisation der Verbraucher und Nutzer oder die spanische Datenschutzbehörde stellen die Rechtmäßigkeit und Anpassung an das Rechtssystem in Frage. Die Debatte dreht sich um folgende Punkte:
- Fehlen spezifischer Rechtsvorschriften: Das Gesetz über den Schutz des Wettbewerbs erlaubt es der Regierung, aus Gründen des Allgemeininteresses in Unternehmenszusammenschlüsse einzugreifen, sofern diese sich nicht auf den Wettbewerb beziehen. Die Verordnungen sehen in diesen Fällen jedoch keine öffentliche Konsultation vor. Auch das Übernahmeangebotsreglement sieht dieses Vorgehen nicht vor.
- Rechtmäßigkeit des Verfahrens: Datenschutzexperten haben auf mögliche Rechtsverstöße bei der Sammlung von Informationen über das vom Wirtschaftsministerium bereitgestellte Formular hingewiesen. Die Nutzer wissen nicht, was die Regierung mit den Daten macht, die sie für die Durchführung der Umfrage eingeben müssen.
- Kritik an der Konsultation: Die Konsultation wurde für ihr Format und die Ermöglichung anonymer Beiträge kritisiert. Die öffentliche Konsultation besteht aus einem Formular mit Fragen zu den im Gesetz zum Schutz des Wettbewerbs festgelegten Kriterien von allgemeinem Interesse.
- Rechtsunsicherheit und Präzedenzfälle: Einige politische Parteien haben die Regierung dafür kritisiert, dass sie eine öffentliche Konsultation eröffnet hat, bevor sie eine Entscheidung über das Übernahmeangebot getroffen hat. Aus Rechtskreisen wird darauf hingewiesen, dass diese Konsultation "unangemessen" sei, im Gesetz nicht vorgesehen sei und Rechtsunsicherheit und negative Präzedenzfälle für zukünftige Übernahmeangebote schaffen könnte.
Obwohl öffentliche Konsultationen im Zusammenhang mit Unternehmenszusammenschlüssen in anderen Ländern nicht unbekannt sind, konzentriert sich ihre Umsetzung in der Regel auf die Überarbeitung der regulatorischen Rahmenbedingungen oder auf spezifische technische Aspekte. Die spanische öffentliche Konsultation zum Übernahmeangebot der BBVA für die Banco Sabadell ist insofern einzigartig, als sie sich direkt auf eine bestimmte Transaktion konzentriert und darauf abzielt, Kriterien von allgemeinem Interesse zu bewerten, die über den Wettbewerb hinausgehen.