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Ein ungenehmigter Wohnortwechsel des Kindes ins Ausland ändert nichts an der Zuständigkeit spanischer Gerichte für das Scheidungsverfahren

30/06/2025
| Mª Teresa Sociats Sánchez
Ein ungenehmigter Wohnortwechsel des Kindes ins Ausland ändert nichts an der Zuständigkeit spanischer Gerichte für das Scheidungsverfahren

In familienrechtlichen Konflikten kommt es nicht selten vor, dass ein Elternteil – häufig der ausländische Ehepartner – mit dem gemeinsamen Kind in sein Herkunftsland zurückkehrt und dort die Scheidung einreicht sowie die Festlegung des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes beantragt. Dieses Vorgehen ist jedoch rechtlich hochproblematisch: zum einen kann ein solcher Ortswechsel als internationaler Kindesentzug strafrechtlich verfolgt werden, zum anderen bleibt die gerichtliche Zuständigkeit für die Scheidung und die elterlichen Maßnahmen weiterhin bei dem Gericht des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes – wie kürzlich die Audiencia Provincial de Barcelona unter Anwendung des einschlägigen europäischen Rechts bestätigt hat.

Im vorliegenden Fall reiste die Ehefrau mit dem gemeinsamen minderjährigen Kind von Badalona nach Polen, ihrem Herkunftsland, um dort angeblich Ferien zu verbringen. Nach Ablauf der geplanten Urlaubszeit kehrten Mutter und Kind jedoch nicht zurück. Stattdessen stellte die Mutter in Polen einen gerichtlichen Antrag, den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes dort festzulegen. Der Vater reagierte in Spanien und reichte sowohl Strafanzeige wegen Kindesentziehung als auch eine Scheidungsklage vor dem zuständigen Gericht in Badalona ein. Dieses erklärte sich jedoch für nicht zuständig, da es in Polen bereits eine Entscheidung zur Wohnsitzfrage des Kindes gegeben habe. Der Vater legte dagegen Berufung ein – mit Erfolg.

Die Entscheidung der Audiencia Provincial de Barcelona vom 05.02.2025 (ROJ APB 69/2025) ist von besonderem Interesse, da sie sich umfassend auf das Unionsrecht und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) stützt und daher auf vergleichbare Fälle in anderen EU-Mitgliedstaaten übertragbar ist, in denen die Verordnung (EU) 2019/1111 Anwendung findet.

Nach dieser Verordnung sowie der EuGH-Rechtsprechung ist der Begriff des „gewöhnlichen Aufenthalts“ des Kindes ein autonomer Begriff des Unionsrechts, der sich nicht nach den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen richtet. Maßgeblich ist, wo das Kind tatsächlich integriert ist – familiär und sozial – auf nicht nur vorübergehender Basis, und ob eine gemeinsame elterliche Willensentscheidung über den Aufenthaltsort vorliegt.

Das katalanische Zivilgesetzbuch (Art. 236-11.6 CCCat) sieht ebenfalls vor, dass eine Änderung des gewöhnlichen Aufenthaltsorts eines minderjährigen Kindes grundsätzlich nur mit Zustimmung beider Elternteile erfolgen kann: kommt eine Einigung nicht zustande, entscheidet das Familiengericht im Rahmen eines eigenständigen Verfahrens.

Darüber hinaus regelt die Verordnung (EU) 2019/1111 ausdrücklich, dass bei einer internationalen Kindesentziehung durch unerlaubte Verbringung oder Zurückhaltung die Gerichte des Staates zuständig bleiben, in dem das Kind zuvor seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte – in diesem Fall also Spanien.

Die Gerichte in Badalona behalten daher weiterhin die internationale Zuständigkeit für das Scheidungsverfahren sowie für die elterlichen Sorgefragen. Der Mutter hingegen wird das eigenmächtige und rechtswidrige Vorgehen bei der Verlegung des Kindeswohnsitzes im Verfahren deutlich zum Nachteil gereichen.

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