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Dividendenfreistellung ohne Respawn

30/06/2025
| Gustavo Yanes Hernández
Dividendenfreistellung ohne Respawn

In Europa ist die in der Richtlinie (EU) 2011/96/EU („Mutter-Tochter-Richtlinie“) vorgesehene steuerliche Freistellung von konzerninternen Dividenden üblich. Hierzu ein kurzer Blick auf die steuerlichen Irrungen und Wirrungen der Nordcurrent Group UAB, die das Unternehmen bis vor den Gerichtshof der Europäischen Union führten. 

Das litauische Unternehmen gründete 2009 eine britische Tochtergesellschaft, die als Vermittlerin zwischen Nordcurrent Group UAB und Videospiel-Vertriebsplattformen fungieren sollte, und machte sich dabei die vertragsrechtlichen Vorteile in Großbritannien zu Nutze. 2017 wurde ein Großteil der Mitarbeiter und Unternehmensressourcen wieder ins Mutterland verlegt, sodass die britische Tochtergesellschaft nur noch Verwaltungsaufgaben wahrnahm und keine Vertriebsmitarbeiter und Videospiel-Entwickler mehr beschäftigte.

2018 und 2019 schüttete die englische Tochter Dividenden an ihre Muttergesellschaft in Litauen aus, welche dafür die Steuerbefreiung der Mutter-Tochter-Richtlinie in Anspruch nahm. Das litauische Finanzamt stufte den Konzernaufbau als „Konstrukt” ein, und der Rechtsstreit endete vor dem EuGH in Luxemburg. 

Aus dem Urteil des EuGH vom 3. April 2025 (C-228/24) lassen sich drei wichtige Erkenntnisse gewinnen. Erstens, dass es ohne Substanz keine Rewards gibt. Das Fehlen von personellen und materiellen Ressourcen und einer eigenen Unternehmenslogik ist ein offensichtlicher Hinweis auf Missbrauch, selbst wenn die Gewinne aus tatsächlicher Geschäftstätigkeit anderer Unternehmen stammen.

Zweitens muss die Geschäftstätigkeit im God Mode betrachtet werden. Es genügt nicht, nur den Moment anzuschauen, an dem die Dividende ausgezahlt wurde; der Gerichtshof verlangt, dass das gesamte Gameplay von der Gründung bis zur Liquidation berücksichtigt wird und die vorausgehenden und die nachfolgenden Umstände bewertet werden, um den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen gerecht zu werden.

Und schließlich kommt es drittens auf die Intention des Steuerpflichtigen an. Die Einstufung der Tochtergesellschaft als Konstrukt reicht nicht aus; die betreffende Behörde muss nachweisen, dass es um den Steuervorteil ging. Ohne den Faktor der Absicht hat die Missbrauchsbekämpfungsklausel keine Daseinsberechtigung. 

In Spanien wird sich das Urteil sowohl auf die Beteiligungsbefreiung des spanischen Körperschaftsteuergesetzes auswirken wie auch auf die Missbrauchsbekämpfungsklauseln der Regelung für Fusionen und Spaltungen (derzeit beim Obersten Gerichtshof auf dem Prüfstand). Konzerne müssen erst einen soliden Business Purpose dokumentieren, ihre Tochtergesellschaften mit Personal und realen Vermögenswerten ausstatten und automatische Steuerbefreiungen hinterfragen, bevor die spanische Steuerbehörde den Reload-Knopf drückt. Wer den Fingerzeig aus Luxemburg ignoriert, riskiert, dass seine Dividenden – wie die Extraleben eines unvorsichtigen Gamers – verloren gehen, ohne Aussicht auf einen Respawn.

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