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Direktanspruch eines Leistungsempfängers gegen den Fiskus auf Erstattung einer rechtsgrundlos an den Leistenden gezahlten Umsatzsteuer? (3)

31/10/2023
| Frank Behrenz
Direktanspruch eines Leistungsempfängers gegen den Fiskus auf Erstattung einer rechtsgrundlos an den Leistenden gezahlten Umsatzsteuer? (3)

In unseren Beiträgen zu den Ausgaben Mai und Oktober 2022 dieses Newsletters hatten wir über die Auffassung der deutschen Finanzverwaltung sowie ein Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Münster beim Europäischen Gerichtshof vom 27.06.2022 zur Frage berichtet, unter welchen Voraussetzungen der Empfänger einer Lieferung oder Leistung gegen den deutschen Fiskus einen sog. Direktanspruch auf Erstattung von Umsatzsteuer hat, wenn er diese rechtsgrundlos gezahlt hat, der gegen den leistenden Unternehmer gerichtete zivilrechtliche Anspruch auf Rückforderung der in der Rechnung im Sinne von § 14c UStG unberechtigt ausgewiesenen, und von diesem an die deutsche Finanzverwaltung gezahlten Umsatzsteuer jedoch nicht durchsetzbar ist.

Im jüngst veröffentlichten Urteil vom 07.09.2023 (C-453/22) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) hierzu nun festgestellt, dass der Leistungsempfänger einen solchen Direktanspruch unter folgenden Voraussetzungen hat:

(1) Der Leistungsempfänger kann seinen zivilrechtlichen Anspruch auf Erstattung aufgrund der im nationalen Recht vorgesehenen Verjährung gegen den Leistenden nicht mehr durchsetzen. Entgegen der bisherigen Auffassung der deutschen Finanzverwaltung (vgl. hierzu unseren Beitrag zur Ausgabe Mai dieses Newsletters) ist damit zur Geltendmachung des Direktanspruchs nicht erforderlich, dass der Leistungsempfänger nachweist, dass ein Insolvenzantrag über das Vermögen des Leistenden mangels Masse abgelehnt wurde.

(2) Der Leistungsempfänger hat die in der Rechnung ausgewiesene Steuer gutgläubig gezahlt, d.h. ihm kann nicht Betrug, Missbrauch oder Fahrlässigkeit vorgeworfen werden.

(3) Es besteht formal die Möglichkeit, dass der leistende Unternehmer, nachdem dieser die ursprünglich an den Leistungsempfänger gerichtete Rechnung berichtigt hat, im Nachhinein vom deutschen Fiskus die Erstattung des zu viel gezahlten Betrags verlangen kann.

Wird die von der Steuerbehörde zu Unrecht erhobene Umsatzsteuer nicht innerhalb einer angemessenen Frist erstattet, ist nach Auffassung des EuGH der Schaden, der dadurch entstanden ist, dass der Betrag, der dieser zu Unrecht erhobenen Umsatzsteuer entspricht, nicht verfügbar ist, durch die Zahlung von Verzugszinsen auszugleichen. Hierbei handelt es sich um einen Anspruch auf Basis des europäischen Rechts, der im innerstaatlichen deutschen Recht nicht vorgesehen ist. Einen solchen unionsrechtlichen Verzinsungsanspruch hatte der EuGH bereits wiederholt in den Verfahren C-446/04 und C-397/21 bestätigt.

In einem weiteren Verfahren (C-83/23; Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs vom 03.11.2022 - BFH XI R 6/21) wird der EuGH zu klären haben, ob die vorgenannten Grundsätze auch gelten, wenn die Leistung in einem anderen Mitgliedsstaat der EU steuerbar ist, es also an einer im Inland gesetzlich geschuldeten Steuer fehlt. Bis zum Ergehen dieser Entscheidung ist nicht damit zu rechnen, dass die deutsche Finanzverwaltung ihre bisherige Auffassung ändern wird, so dass zur Vermeidung der vorgenannten Probleme unvermindert eine sorgfältige Rechnungsprüfung und rechtzeitige Beanstandung beim Rechnungsaussteller zu empfehlen ist.

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