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Direktanspruch eines Leistungsempfängers gegen den Fiskus auf Erstattung einer rechtsgrundlos an den Leistenden gezahlten Umsatzsteuer?

31/05/2022
| Frank Behrenz
Direktanspruch eines Leistungsempfängers gegen den Fiskus auf Erstattung einer rechtsgrundlos an den Leistenden gezahlten Umsatzsteuer?

Wird in einer Rechnung unzutreffend deutsche Umsatzsteuer in Rechnung gestellt, etwa, weil die Leistung in Deutschland nicht steuerbar oder steuerbefreit oder nicht der leistende Unternehmer sondern der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist (Reverse Charge Verfahren), hat nach deutschem Steuerrecht einerseits der leistende Unternehmer einen Anspruch gegenüber dem Fiskus und andererseits der Leistungsempfänger einen entsprechenden zivilrechtlichen Anspruch gegen den leistenden Unternehmer auf Erstattung der rechtsgrundlos gezahlten Umsatzsteuer.

In drei Urteilen (C-35/05 - Reemtsma, C-660/16 – Kollroß und C 661-16 Wirtl) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass es der Grundsatz der Neutralität und Effektivität im Umsatzsteuerrecht jedoch erfordere, dass in Fällen, in denen die Erstattung der Umsatzsteuer vom leistenden Unternehmer an den Leistungsempfänger unmöglich oder übermäßig erschwert werde, insbesondere im Fall einer Zahlungsunfähigkeit des leistenden Unternehmers, der Leistungsempfänger seinen Antrag auf Erstattung unmittelbar an die Steuerbehörden richten kann. Die Mitgliedstaaten müssten deshalb die entsprechenden erforderlichen Mittel und Verfahrensmodalitäten vorsehen. Im Nachgang dieses Urteils hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) in einer Reihe von Urteilen zu verschiedenen Einzelfragen in diesem Zusammenhang geäußert und entschieden, dass das deutsche Recht den Anforderungen des europäischen Rechts an eine systemgerechte Abwicklung zu Unrecht erhobener und gezahlter Umsatzsteuer grundsätzlich durch die Billigkeitsregelungen nach §§ 163 und 227 AO gerecht werde.

In einem Schreiben vom 12.04.2022 (III C 2 - S 7358/20/10001 :004, DOK 2022/0385137) hat nun das Bundesfinanzministerium (BMF) seine Auffassung zur Bearbeitung von Erstattungsanträgen dargelegt, die für die Finanzämter bindend ist. Hiernach gelten folgende Grundsätze: (1) Über die Billigkeitsmaßnahmen hat das für die Umsatzsteuerfestsetzung des Leistungsempfängers zuständige Finanzamt zu entscheiden. (2) Der Leistungsempfänger hat seinen Erstattungsanspruch regelmäßig zunächst zivilrechtlich gegenüber dem Leistenden geltend zu machen (Rechnungsberichtigung), über einen geltend gemachten Direktanspruch kann nicht entschieden werden, solange noch eine Inanspruchnahme des Fiskus durch den Leistenden aufgrund einer Berichtigung des Steuerbetrages rechtlich möglich ist. (3) Der bloße Steuerausweis in einer Rechnung (insbesondere Anzahlungsrechnung) genügt für den Direktanspruch nicht, dieser setzt voraus, dass tatsächlich eine Leistung erbracht wurde. (4) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Fiskus nicht oder nicht mehr bereichert ist. (5) Der Antrag setzt einen bereits mangels Masse abgelehnten Insolvenzantrag voraus, die bloße Zahlungsunfähigkeit des Leistenden im Sinne der InsO reicht hierfür nicht aus. (6) Ist der zivilrechtliche Erstattungsanspruch gegen den leistenden Unternehmer verjährt, kann dieser auch gegenüber dem Fiskus nicht mehr geltend gemacht werden.

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