Die Deutsche Bahn und das Luftfrachtkartell – Goliath gegen Goliath
Im deutschen Kartellrecht zeichnet sich eine neue Tendenz hin zu Strafschadensersatzklagen, gemäß dem US-Modell, ab. So macht die Deutsche Bahn Schadensersatz gegen das Luftfrachtkartell i.H.v. 2,9 Mrd. € geltend. Über Jahre hatten 10 Fluggesellschaften Preise von Frachtflügen abgesprochen. Dies wurde durch die Europäische Kommission bereits 2010 mit einem Bußgeld von 800 Mio. € sanktioniert. Die Bahn sieht ihre Transporttochter Schenker als Geschädigte der Absprachen, und macht, im Zusammenschluss mit anderen Unternehmen, Strafschadensersatz geltend.
Eine solche Massenklage ist dem deutschen Prozessrecht fremd und birgt rechtliche Besonderheiten. Die richterliche Beweiswürdigung bpsw., welche im konkreten Einzelfall vorzunehmen ist, erfolgt faktisch zugleich für eine Vielzahl von (vermeintlich) ähnlichen Konstellationen.
Die subjektive Klagehäufung auf Klägerseite kann prozessual entweder durch Abtretungskonstellationen, oder durch Bildung einer Streitgenossenschaft realisiert werden. Der Grundsatz, wonach die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits trägt wird i.R.v. kartellrechtlichen Massenklagen dadurch fast ausgehebelt. Bei teilweisem Obsiegen bleiben Beklagte auf wesentlichen, nicht erstattungsfähigen Kosten sitzen. Darunter bspw. Kosten des Rechtsanwalts (die i.d.R. über dem Satz des RVG liegen), Kosten der Öffentlichkeitsarbeit sowie eventuelle Börseneffekte.
Diese Unsicherheiten mögen zumindest mitursächlich für die Häufung an Vergleichen i.R. solcher Prozesse sein. So hat sich die Air France-KLM, als eine der Beklagten, mit der DB jüngst auf einen Vergleich geeinigt. Die Vergleichssumme soll bei 60 Mio. € liegen.
Auch aus Sicht der öffentlichen Kartellrechtsdurchsetzung bieten die Prozesse neue Risiken. Die generelle Möglichkeit einer strafreduzierenden Kronzeugenaussage, welche der effektiven Aufdeckung von Kartellen dienen soll, wird wesentlich unattraktiver. Als Kronzeuge kann zwar die Geldbuße der Kommission beeinflusst werden, jedoch macht man sich zugleich zur Zielscheibe einer Strafschadensersatzklage.