Der Principal-purpose-Test (“PPT”) bei der grenzüberschreitenden Quellensteuerermäßigung
Nach der unvermindert umstrittenen und infolge mehrerer Gerichtsentscheidungen immer wieder geänderten sog. Anti-Treaty und EU-Directive Shopping Regelung für grenzüberschreitende Zins-, Lizenz- bzw. Dividendenzahlungen (§ 50d Abs. 3 EStG), über die wiederholt berichtet haben (vgl. zuletzt unser Beitrag in der Ausgabe Juni 2022 dieses Newsletters), ist eine Ermäßigung von Abzugssteuern an der Quelle nach innerstaatlichem deutschen Recht durch Freistellung (vor Zahlung) bzw. Erstattung (nach Zahlung) ausgeschlossen, wenn der Antragsteller nicht das Vorliegen der sog. Substanzkriterien nachweisen kann.
Hiernach hat eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse keinen Anspruch auf Entlastung bzw. Ermäßigung von deutschen Quellensteuern, soweit (1) Personen an ihr beteiligt oder durch die Satzung, das Stiftungsgeschäft oder die sonstige Verfassung begünstigt sind, denen dieser Anspruch nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, und (2) die Einkunftsquelle keinen wesentlichen Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit der Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse aufweist; das Erzielen der Einkünfte, deren Weiterleitung an beteiligte oder begünstigte Personen sowie eine Tätigkeit, soweit sie mit einem für den Geschäftszweck nicht angemessenen Geschäftsbetrieb ausgeübt wird, gelten nicht als Wirtschaftstätigkeit.
Der Ausschluss von der Quellensteuerermäßigung tritt allerdings nicht ein, soweit der Nachweis gelingt, dass keiner der Hauptzwecke der Einschaltung des Antragstellers die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist, wobei im Rahmen einer Gesamtwürdigung alle außersteuerlichen Gründe zu berücksichtigen sind (sog. Principal-purpose-Test - „PPT“). Das Finanzgericht (FG) Köln hat in einem jüngst veröffentlichten Urteil vom 23.06.2023 (2 K 1315/13) einige neue Aspekte bei der Anwendung dieses Motivtests für einen Antrag auf Ermäßigung von Quellensteuern auf Zinsen aus einer Wandelanleihe berücksichtigt. Hiernach kommt es beim Motivtest - anders als beim Nachweis der vorgenannten Substanzkriterien - nicht nur auf die Verhältnisse beim Antragsteller der Quellensteuerermäßigung an. Vielmehr sind bei einer Zugehörigkeit des Antragstellers zu einer Unternehmensgruppe die Verhältnisse in der gesamten Unternehmensgruppe zu betrachten, namentlich alle organisatorischen, wirtschaftlichen und sonst beachtlichen Merkmale sowie die Branchenüblichkeit der gewählten Struktur und die Gesamtstrategie der Unternehmensgruppe, wobei unternehmerische Beurteilungsspielräume zuzugestehen seien. Interessant ist, dass das beklagte Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) die Quellensteuerermäßigung aufgrund EU-rechtlicher Vorgaben (EUGH Urteile C-504/16 und C 613-16) nach Maßgabe des BMF-Schreibens v. 4.4.2018 (IV B 3 - S 2411/07/10016-14, DOK 2018/0148776) hätte gewähren müssen, wenn es sich bei den streitgegenständlichen Zahlungen nicht um Zinsen, sondern um Dividenden gehandelt hätte.
Das Finanzgericht hat die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) nicht zugelassen, das BZSt hat Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH I B 31/23).