Der Begriff “außergerichtliches Schriftstück” in der Europäischen Zustellungsverordnung | LEX | Das deutsch-spanische Rechtsportal Direkt zum Inhalt

Der Begriff “außergerichtliches Schriftstück” in der Europäischen Zustellungsverordnung

31/03/2016
| Enrique Castrillo de Larreta-Azelain
Der Begriff “außergerichtliches Schriftstück” in der Europäischen Zustellungsverordnung

Der Europäische Gerichtshof hat am 11. November 2015 ein interessantes Urteil erlassen, in dem der Begriff des “außergerichtlichen Schriftstücks” im Sinne Artikel 16 der Europäischen Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 über Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedsstaaten definiert wird.

Im vorliegenden Fall hat eine spanische Gesellschaft beim Gericht erster Instanz Nr. 7 in Las Palmas de Gran Canaria die Zustellung, nach Maßgabe des in der Verordnung festgelegten Systems, an eine deutsche Gesellschaft einer Zahlungsaufforderung betreffend Provisionen und Ausgleichszahlung beantragt, auf die sie nach spanischem Recht im Rahmen der Kündigung eines Vertretervertrags Anspruch erhob. Das Gericht hat den Antrag mit der Begründung, es handle sich um ein rein privates Schriftstück ohne prozeßrechtlichen Hintergrund, zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung legte die spanische Gesellschaft Beschwerde ein, und das spanische Gericht legte dem Europäischen Gerichtshof mehrere Vorabentscheidungsfragen zum Begriff des außergerichtlichen Schriftstücks vor.

Der Europäische Gerichtshof hat dem spanischen Antragsteller Recht gegeben und in seinem Urteil klargestellt, daß der Begriff “außergerichtliche Schriftstücke” nicht nur von einer Behörde oder einer Amtsperson erstellte oder beglaubigte Schriftstücke erfaßt, sondern auch private Schriftstücke, deren förmliche Übermittlung an ihren im Ausland ansässigen Empfänger zur Geltendmachung, zum Beweis oder zur Wahrung eines Rechts oder Anspruchs in Zivil- oder Handelssachen erforderlich ist.

Somit eröffnet sich eine interessante Möglichkeit die Europäische Zustellungsverordnung für die Übermittlung rein privater Schriftstücke zu verwenden. Wir glauben allerdings, daß von dieser Möglichkeit aufgrund der Langsamkeit unserer Gerichte, und weil es auch andere gut funktionierende Kommunikationsmöglichkeiten (z.B. die notarielle Zustellung oder die Zustellung mit internationalem Rückschein) zwischen Privatpersonen und Unternehmen in der EU gibt, selten Gebrauch gemacht werden wird.

Kategorien:

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?

Teilen Sie ihn in den sozialen Netzwerken!