Ausgleichsanspruch bei aufeinanderfolgenden befristeten Vertragsverhältnissen
Einer der wesentlichen Streitpunkte bei der Beendigung eines Vertriebsvertrages besteht in der Frage, ob der Handelsvertreter oder Händler Neukunden geworben oder das Geschäftsvolumen mit Altkunden wesentlich erhöht hat. Diese Frage ist deshalb wichtig, weil dem Handelsvertreter oder Händler nur dann ein Ausgleichsanspruch zustehen kann, wenn eine der beiden genannten Alternativen vorliegt, der zu einem wirtschaftlichen Vorteil des Unternehmens nach Beendigung des Vertragsverhältnisses führen kann.
Gegenstand eines jüngst vor dem Provinzgericht Sevilla geführten Berufungsverfahrens war der Ausgleichsanspruch eines Handelsvertreters für Mobiltelefonanschlüsse. Der Handelsvertreter war für das Mobilfunkunternehmen von 1999 bis 2015 tätig. Allerdings handelte es sich um kein durchgehendes Vertragsverhältnis, sondern das Unternehmen schloss mit dem Handelsvertreter immer nur Verträge mit einer Laufzeit von 3 Jahren ab, um nach Vertragsende einen neuen Vertrag mit der gleichen Laufzeit abzuschließen. Dies während 15 Jahren. Angesichts des Abschlusses eines neuen Vertrages unterzeichnete der Handelsvertreter bei dem jeweiligen Vertragsende eine Vereinbarung, durch die er eventuell bestehende Schadensersatz- und Ausgleichsansprüche für abgegolten erklärte, ohne irgendeine Gegenleistung zu empfangen. Ein solcher Verzicht auf die Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen, der erst nach Beendigung eines Handelsvertretervertrages erklärt wird, stellt keine Verletzung der zwingenden Vorschriften des Handelsvertretervertragsgesetzes dar.
Als die Mobilfunkgesellschaft nach 5 aufeinanderfolgenden zeitlich befristeten Verträgen schließlich die Vertragsbeziehung beendete, machte der Handelsvertreter die ihm zustehenden Ausgleichsansprüche geltend. Hierzu musste der Handelsvertreter beweisen, dass er mit seiner Vertriebstätigkeit neue Kunden geworben oder das bestehende Geschäftsvolumen wesentlich erhöht hatte. Das Mobilfunkunternehmen argumentierte, dass der Handelsvertreter während der Laufzeit des 3-Jahres-Vertrages keine bzw. wenige neue Kunden geworben und sich auch das Geschäftsvolumen mit den bestehenden Kunden nicht relevant erhöht hätte.
Das Provinzgericht Sevilla stellte entgegen der Auffassung des Mobilfunkunternehmens in seiner Entscheidung unter Berufung auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des Tribunal Supremo fest, dass nicht nur das letzte befristete Vertragsverhältnis für die Prüfung herangezogen werden könne, um festzustellen, ob der Handelsvertreter neue Kunden geworben hat. Es müsse im Falle von befristeten Vertragsverhältnissen die Laufzeit der gesamten Vertragsbeziehung betrachtet werden, die im vorliegenden Fall insgesamt 15 Jahre betragen habe. So konnte der Handelsvertreter natürlich nachweisen, dass er im Laufe dieses Zeitraumes eine Vielzahl von neuen Kunden vermittelt hatte, weshalb das Gericht einen Ausgleichanspruch zuerkannte.