Anwendung des gesetzlichen Mindestlohns auf die Vergütung des Handelsreisenden
Wie bereits in einer vorangehenden Ausgabe (Mai 2021) dargestellt ist die Unterscheidung der verschiedenen Vertragsformen im Vertriebsrecht, insbesondere die zwischen dem Handelsreisenden und dem Handelsvertreter, nicht immer einfach, da sie beide auf fremde Rechnung den Vertrieb von Waren oder Dienstleistungen fördern.
Nichtsdestotrotz ist ihre korrekte und genaue Unterscheidung sehr wichtig, da auf sie verschiedene rechtlich zwingende Regelungen, die vertraglich nicht bzw. nur sehr eingeschränkt verändert werden können, Anwendung finden. Diese unterschiedlichen Regelungen wirken sich auch bei der Vertragsgestaltung aus.
Wie seinerzeit dargestellt, handelt es sich bei dem Handelsreisenden um ein besonderes Arbeitsverhältnis, das sondergesetzlich durch ein entsprechendes königliches Dekret geregelt ist. Er ist ein abhängig Beschäftigter im Sinne des spanischen Arbeitsrechts, auch wenn sich sein Arbeitsplatz außerhalb des Unternehmens befindet und er seine Arbeitszeit selbst organisiert. Die Vergütung des Handelsreisenden kann fix und /oder variabel ausgestaltet sein.
Gerade in Bezug auf die Vergütung des Handelsreisenden hat nun der für Arbeitssachen zuständige Senat des höchsten spanischen Gerichtshofs mit dem Ziel einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung eine wichtige Grundsatzentscheidung erlassen.
Ein Handelsreisender zur Vermittlung von Versicherungsverträgen hatte gegen die von der Versicherungsgesellschaft ausgesprochene Kündigung geklagt. Die Kündigung wurde für unzulässig erklärt und zur Berechnung des Abfindungsanspruchs mussten die Gehaltsansprüche des Handelsreisenden bestimmt werden. Aus dem Arbeitsvertrag folgte ein „Tagesgehalt“ in Höhe von 32,99 €, das sich aus dem durchschnittlichen Festgehalt und den durchschnittlich zusätzlich gezahlten Provisionen zusammensetzte, während das gesetzliche Tagesmindestgehalt 36,43 € betrug.
Der höchste spanische Gerichtshof bestätigte das zweitinstanzliche Urteil und vereinheitlichte die bestehende Rechtsprechung in dem Sinne, dass auch dem spezialgesetzlich geregelten Handelsreisenden das gesetzlich vorgeschriebene Mindestgehalt gezahlt werden muss.
Dies folge zum einen aus dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf ausreichende Vergütung (Artikel 35 span. Verfassung) als auch aus der europäischen Richtlinie über angemessene Mindestlöhne vom 19. Oktober 2022. Auch das Königliche Dekret, durch welches das besondere Arbeitsverhältnis des Handelsreisenden geregelt wird, verweist in Bezug auf dir wesentlichen Vertragsbedingungen auf das Arbeitnehmerstaut, das die zwingende Anwendung der Mindestgehälter vorsieht.
Aktuell beträgt das gesetzliche Tagesmindestgehalt in Spanien 37,8 € und in Deutschland 12,41 € /Std.