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Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs bei Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten

31/03/2022
| Frank Behrenz
Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs bei Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten

Nach innerstaatlichem deutschen Recht entsteht das Recht zum Abzug der Vorsteuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, wenn diese die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind und dieser im Besitz einer nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellten Rechnung ist; soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG).

Dies gilt nach geltender Rechtslage auch für Unternehmer, die die auf Antrag ihre Umsätze nicht nach vereinbarten, sondern nach vereinnahmten Entgelten, also erst bei effektivem Zahlungseingang versteuern. Deutschland hat von der nach Art. 66 Abs. 1 Buchstabe b) MwStSytRL eingeräumten Möglichkeit einer Besteuerung nach Zahlungseingang in Form von § 20 UStG Gebrauch gemacht. Hiernach kann das Finanzamt auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer, (1) dessen Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3 UStG) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600 000 Euro betragen hat, oder (2) der von der Verpflichtung, Bücher zu führen und auf Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen, nach § 148 AO befreit ist, oder (3) soweit er Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausführt, die Steuer nicht nach den vereinbarten Entgelten, sondern nach den vereinnahmten Entgelten berechnet.

Auf Vorlage des Finanzgerichts (FG) Hamburg (Beschluss von 10.12.2019, 1 K 337/17) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil von 10.02.2022 (C-9/20 Grundstücksgemeinschaft Kollaustrasse 136) demgegenüber entschieden, dass Unternehmer, die auf Antrag ihre Umsätze erst bei effektivem Zahlungseingang versteuern, auch die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer anderer Unternehmer erst bei Zahlung der Eingangsrechnung als Vorsteuer abziehen können. Die entgegenstehende deutsche Regelung verstoße gegen Art. 167 MwStSystRL, wonach der Anspruch auf Abzug der Vorsteuer zeitgleich mit der Umsatzsteuerpflicht des leistenden Unternehmers entsteht. Der Fall betraf eine Grundstücksgesellschaft bürgerlichen Rechts, die ein Gewerbegrundstück unter Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 UStG vermietete und ihrerseits Vorsteuer aus der Anmietung der Immobilie von der Grundstückeigentümerin beanspruchte. Obwohl der Zwischenvermieterin die Mietzahlungen von der Eigentümerin der Immobilie teilweise gestundet bzw. erlassen wurden, machte diese den vollen Vorsteuerabzug aus der dieser – in Form des Mietvertrages - vorliegenden ordnungsgemäßen Dauerrechnung (14.1 Abs. 2 UStAE) geltend.

Vor diesem Hintergrund ist mit einer Änderung des deutschen Umsatzsteuergesetzes zu rechnen, bis dahin können sich Leistungsempfänger jedoch auf die geltende Rechtslage zu ihren Gunsten berufen.

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