Wird das Produkthaftungsgesetz vom UN-Kaufrecht verdrängt?
Die Regelungen zur Haftung des Herstellers für fehlerhafte Produkte finden sich in Deutschland im Produkthaftungsgesetz. Danach haften Hersteller - aber auch u.U. auch Importeure von Produkten, welche diese erstmalig in das Gebiet des Europäischen Wirtschaftsraums (EU, Island, Liechtenstein und Norwegen) einführen, für fehlerhafte Produkt, insbesondere wenn sie den Körper oder Gesundheit verletzen. Beschädigungen von Sachen sind nur dann vom Produkthaftungsgesetz erfasst, wenn sie für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt sind. Die Vorschriften des Produkthaftungsgesetztes sind zwingenden Rechts, d.h. sie können nicht vertraglich ausgeschlossen werden. Denn sie schützen typischerweise nicht nur den Käufer einer Sache, sondern auch dessen Angehörige oder Dritte, die mit dem fehlerhaften Produkt in Kontakt kommen.
Im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr gilt das einheitliche Kaufrecht (UN-Kaufrecht), das ebenfalls Regelungen zur Haftung für fehlerhafte Produkte enthält. Es mag aber Situationen geben, in denen eine Haftung nach dem UN-Kaufrecht nicht in Betracht kommt, etwa weil eine Mängelrüge verspätet erfolgt ist oder wenn ein Schaden nicht vorhersehbar war. Nach dem nationalem Recht kann es dann gleichwohl einen Schadensersatzanspruch geben. In welchem Verhältnis die Haftungsregelungen nach dem UN-Kaufrecht einerseits und nach dem Produkthaftungsrecht andererseits in Deutschland stehen, ist umstritten und es gibt relativ wenig Rechtsprechung dazu.
Im Jahre 1996 hat der BGH einmal entschieden, dass die Schadensersatzverpflichtung nach dem Produkthaftungsgesetz trotz ähnlicher Regelungen im Einheitskaufrecht bestehen bleibt. Interessant ist, dass nun der französische Cour de Cassation in einer Entscheidung vom 07. Mai 2023 den klaren Vorrang des UN-Kaufrechts festgestellt hat. Nicht selten wird das Verhältnis internationaler Rechtsvorschriften - wie das UN-Kaufrecht -, zu entsprechenden nationalen Vorschriften von Land zu Land unterschiedlich beurteilt. Deshalb ist es so wichtig, sich bei Vertragsverhandlungen nicht nur auf die Vorschriften des UN-Kaufrechts zu verlassen, sondern auch sicherzustellen, dass das gewünschte nationale Recht, das zumindest ergänzend zur Lückenfüllung heranzuziehen ist, den Interessen eines Herstellers optimal entspricht. Denn das UN-Kaufrecht ist in vielerlei Hinsicht unvollkommen; es regelt beispielsweise weder wie ein Vertrag zustande kommt, noch Fragen der Verjährung von Ansprüchen aus grenzüberschreitenden Kaufverträgen. Ergänzend kommt dann das Rechtssystem zur Anwendung, das entweder von den Parteien im Vertrag ausdrücklich gewählt ist oder das sich nach den sog. Kollisionsrechtsregelungen im Übrigen ergeben würde. Eine sorgfältige Rechtswahl ist also auch dann, wenn UN-Kaufrecht gilt, noch von Bedeutung UN-Kaufrecht.