Wie lösen sich Zuständigkeitskonflikte zwischen Gerichten verschiedener EU-Mitgliedsstaaten?
Bei Streitigkeiten aus Vertragsbeziehungen zwischen Unternehmen in verschiedenen EU-Staaten ist die Feststellung, vor welchem Gericht ein Rechtstreit auszufechten ist, naturgemäß nicht so einfach wie bei innerstaatlichen Auseinandersetzungen. Zum Glück gibt es aber bereits seit Jahrzehnten (in unterschiedlichen, über die Jahre modernisierten Fassungen) Übereinkommen und inzwischen eine EU-Verordnung hierzu, die in allen EU-Staaten unmittelbar anwendbar ist.
Auch bei Vertragsbeziehungen innerhalb der EU gilt der Grundsatz, dass der Schuldner vor dem Gericht an seinem Unternehmenssitz verklagt werden kann. Dies ist aber für die Klägerpartei nicht unbedingt eine optimale Situation, denn hierfür wird regelmäßig die Einschaltung eines (weiteren) Rechtsanwalts am Sitz des ausländischen Gerichts erforderlich sein. Ein Rechtsstreit ist dann auch in der Amtssprache am Gerichtsort zu führen, Beweise sind dort zu erheben; insbesondere, wenn Zeugen vernommen werden sollen, ist dies möglicherweise sehr umständlich und zeitaufwendig. Viel bequemer ist es natürlich, wenn ein Unternehmen einen Rechtsstreit gegen einen ausländischen Geschäftspartner vor dem „eigenen“ Gericht im Inland führen kann. Denn dann ist der Prozess erst einmal – nach erfolgreicher Zustellung der Klage im Ausland – wie ein innerdeutscher Prozess zu führen. Gleiches gilt aus der Sicht der anderen EU-Staaten analog. Sofern aber nicht ein besonderer Gerichtsstand (wie beispielsweise der Rechtsstreit aus unerlaubter Handlung oder aus Versicherungsangelegenheiten) Gegenstand einer Klage ist – gilt – jedenfalls im Verhältnis zwischen Unternehmen – dass mit Sicherheit ein Gerichtstand am eigenen Unternehmenssitz nur durch eine schriftliche Gerichtstandvereinbarung getroffen werden kann. Dies ist also in jedem Fall zu empfehlen.
Aber selbst dann kann es passieren, dass der potentielle Gegner diese Gerichtsstandvereinbarung zu konterkarieren versucht, in dem er eine Klage vor seinem eigenen ausländischen Gericht einreicht in der Hoffnung, dass sich sein Gegner dort rügelos auf das Verfahren einlässt. Dann könnte nämlich die getroffene schriftliche Gerichtsstandvereinbarung „ausgehebelt“ werden. Im Prinzip müssen die jeweils angerufenen nationalen Gerichte selbst feststellen, ob sie aufgrund der EU-Verordnung oder einer Gerichtsstandvereinbarung zuständig sind oder nicht. Es gibt keine Superinstanz, die solche Konflikte klärt. Wenn sich beispielsweise, eine Partei rügelos auf einen eigentlich nicht zutreffenden Gerichtsstand eingelassen hat, kann sie die Vorteile einer Gerichtsstandvereinbarung verlieren und das vertraglich vereinbarte Gericht müsste dann sogar sein Verfahren bis zu einer Entscheidung des am Sitz des Gegners angerufenen Gerichts aussetzen, gegebenenfalls die Klage sogar als unzulässig abweisen. Deshalb ist bei derartigen Verfahrenssituationen große Vorsicht geboten, dass nicht versehentlich ein Gerichtsstand durch rügelose Einlassung dort begründet wird, wo man ihn eben gerade nicht haben wollte, nämlich am Sitz des Gegners.