Wenn falsch geschlossene Verträge Millionen kosten! | LEX | Das deutsch-spanische Rechtsportal Direkt zum Inhalt

Wenn falsch geschlossene Verträge Millionen kosten!

30/09/2022
| Dr. Thomas Rinne, Johannes Brand, LL.M.
Wenn falsch geschlossene Verträge Millionen kosten!

Falsches Vertragsmanagement kann Millionen kosten. Während gesellschaftsrechtliche Transaktionen grundsätzlich gut vorbereitet werden, werden Lieferverträge mit immensen Auftragswerten häufig undurchdacht und ohne Beratung und Expertise durchgeführt. 

So auch im Fall, den der England and Wales High Court (Commercial Court) am 22.02.2022 entschied ([2022] EWHC 2258 (Comm)). Während der Fall weder deutsche Parteien noch deutsches Recht betraf, sind die Lehren, die Unternehmen daraus ziehen können, eins zu eins auf deutsche, spanische und alle anderen Unternehmen zu übertragen.

Zwei britische Unternehmen stritten über den Kauf und Verkauf von Covid-Masken. Der Liefervertrag hatte einen Wert von 44 Millionen USD. Nachdem der „Deal“ platzte, klagte der Verkäufer auf entgangenen Gewinn in Höhe von 11 Millionen USD.

Das Urteil des High Court war für die Verkäuferin ernüchternd. Es entschied, dass gar kein Vertrag zustande gekommen sei. Schon der übersandten „Purchase Order“ fehlte es an dem erkennbaren Willen, einen rechtsverbindlichen Vertrag schließen zu wollen. Deswegen konnte durch die daraufhin übersandte „Pro Forma Invoice“ auch kein Vertrag zustande kommen, auf den die Verkäuferin sich nun hätte berufen können. 

Solche Fälle sind ärgerlich, denn Jura-Studenten lernen bereits im ersten Semester, dass Verträge durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande kommen, die sich durch den Rechtsbindungswillen auszeichnen. Das ist der aus Sicht eines objektiven Dritten wahrnehmbare Wille, eine rechtsverbindliche Erklärung abgeben zu wollen.

Der Fall hätte sich ohne Weiteres auch in Deutschland oder in Spanien zutragen können. Das Vertragsmanagement ist ein Thema, das Unternehmen stiefmütterlich behandeln. Die Auftragswerte sind immens, aber kaum einmal wurde das Vertragsmanagement professionell aufgesetzt. Dabei reicht es auch nicht aus, irgendwann in ferner Vergangenheit AGB eingekauft zu haben. Entscheidend ist vielmehr der Prozess der Vertragsschlüsse.

Wer ist überhaupt zeichnungsberechtigt? Wer behandelt Auftragseingänge und ist dafür ausreichend geschult? Welche Muster werden für Angebote, Bestellungen und Auftragsbestätigungen verwendet? Wie verhalten sich die zuständigen Personen, wenn Anfragen aus dem Ausland kommen? Sind sich diese Personen bewusst, dass die Situation dann anders zu bewerten ist? Wie behandeln diese Personen eingehende AGB des Vertragspartners (sog. ‚battle of forms‘)? Gibt es möglicherweise digitale Alternativen wie eSignatures für Vertragsschlüsse?

Das ist nur ein Ausschnitt der Fragen, die sich die Geschäftsleitung stellen sollte, wenn das Vertragsmanagement geplant wird. Ansonsten drohen große Schäden, für die die Geschäftsleitung möglicherweise persönlich haftet. Die gute Nachricht: Durch Prävention und gute Planung lässt sich das Vertragsmanagement in den Griff bekommen.

Kategorien:

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?

Teilen Sie ihn in den sozialen Netzwerken!