Vorsteuerabzug in Spanien im Falle potenzieller Insolvenz des Verkäufers
In Spanien hat die Mehrwertsteuer nicht nur besonders strenge Formerfordernisse, sondern sie ist auch eine der Haupteinnahmequellen des Staates. Angesichts der Strenge der Mehrwertsteuervorschriften prüfen die spanischen Steuerbehörden Zahlungen zwischen Steuerpflichtigen sehr genau, um Betrug an den Staatskassen zu verhindern. In bestimmten Fällen ist daher bei Erstattungsanträgen eine Kaution zu leisten bzw. die unbekanntere gesamtschuldnerische Haftung des Erwerbers von Gütern und Dienstleistungen zusammen mit dem Verkäufer, auch wenn die in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer gezahlt wurde. Angesichts der drohenden Rezession sollten zumindest die grundsätzlichen Aspekte dieser Haftung bekannt sein ebenso wie die jüngsten Gerichtsentscheidungen zu diesem Thema.
Artikel 87 des spanischen Mehrwertsteuergesetzes (LIVA) sieht mehrere Haftungsfälle für die Erwerber von Gütern und Dienstleistungen vor, deren direkte Auswirkung die Ablehnung des Vorsteuerabzugs ist. Einer dieser Fälle stellt sich ein, wenn der Käufer davon hätte ausgehen müssen, dass die Vorsteuer, welche von dem Verkäufer in Rechnung gestellt wurde bzw. hätte in Rechnung gestellt werden müssen, von letzterem nicht an die spanischen Steuerbehörden abgeführt werden würde. Eine so offene Gesetzesbestimmung lässt viel Interpretationsspielraum für die Steuerinspektion, um den Vorsteuerabzug abzulehnen.
An dieser Stelle ist jedoch das EuGH-Urteil in der Sache C-227/21 ins Feld zu führen. Dieses behandelt den Fall der Nichtzahlung der Mehrwertsteuer durch den Steuerpflichtigen im Rahmen einer Immobilientransaktion, aufgrund der die litauische Steuerbehörde den Vorsteuerabzug zugunsten des Käufers ablehnte, da dieser die finanziellen Schwierigkeiten des Verkäufers hätte wissen und somit vorhersehen müssen, dass die gezahlte Mehrwertsteuer nicht abgeführt werden würde. Also ein sehr ähnlicher Fall wie der des Art. 87 LIVA.
Allerdings bestätigte der EuGH, dass die Kenntnis des Erwerbers einer möglichen Insolvenz oder finanziell schwierigen Lage des Verkäufers allein nicht ausreiche, sondern nachgewiesen werden müsse, dass der wesentliche Zweck der Transaktionen die Erzielung eines unrechtmäßigen Steuervorteils war, hier die Zahlung einer Mehrwertsteuer, die nicht an die Steuerbehörde abgeführt jedoch vom Käufer in Abzug gebracht wird. Aufgrund dessen kam der EuGH zu dem Schluss, dass nationales Recht Unionsrecht widerspreche, wenn es dem Käufer das Vorsteuerabzugsrecht allein aufgrund der Tatsache abspreche, dass dieser wusste oder hätte wissen müssen, dass der Verkäufer in finanziellen Schwierigkeiten war oder kurz vor einer Insolvenz stand und er aufgrund dessen die Mehrwertsteuer nicht an die Steuerbehörden abführen würde oder könnte.
Sollte sich ein Unternehmen einer solchen Steuerprüfung gegenübersehen, ist wichtig zu wissen, dass es auf die europäische Rechtsprechung zurückgreifen kann und diese im Bereich der Mehrwertsteuer Vorrang hat vor den Auslegungen der Steuerinspektion der spanischen Steuerbehörden, auch wenn dies zuweilen den Weg vor Gericht bedeutet.