Update Verrechnungspreise – Neues von Finanzverwaltung und Rechtsprechung (2)
In unserem Beitrag zur Ausgabe Oktober 2021 dieses Newsletters hatten wir über die sog. Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2021 berichtet, in der das Bundesfinanzministerium (BMF) die bis dato in mehreren Verwaltungserlassen geregelte Auffassung der deutschen Finanzverwaltung zu Einzelfragen zusammengefasst und neu geregelt hat. Nach rückwirkendem Inkrafttreten der sog. Funktionsverlagerungsverordnung für Sachverhalte ab 01.01.2022 (vgl. hierzu unseren Beitrag zur Ausgabe November 2022 dieses Newsletters) war zu erwarten, dass auch dieser bisher gesondert (in den sog. Verwaltungsgrundsätzen Funktionsverlagerung geregelte) Themenbereich neu gefasst wird.
Mit Schreiben vom 06.06.2023 (IV B 5 - S 1341/19/10017 :003) hat das BMF nun in zeitlichem Einklang mit Geltung der neuen Funktionsverlagerungsverordnung ab 01.01.2022 die sog. Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023 verabschiedet und in diese Regelungen über Funktionsverlagerungen, aber auch die Behandlung konzerninterner Finanzierungsbeziehungen aufgenommen und damit die Verwaltungsanweisungen zum Thema Verrechnungspreise weiter konsolidiert.
Positiv hervorzuheben ist, dass die Finanzverwaltung im Anschluss an Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (vgl. insb. BFH I R 32/17 und I R 62/17) nunmehr zugesteht, dass eine fehlende Besicherung von Darlehen marktüblichen Bedingungen entsprechen kann, wenn die damit verbundenen Risiken durch eine höhere Verzinsung angemessen vergütet werden. Entgegen der Auffassung des Bundesfinanzhofs im Urteil vom 21.10.2021 (BFH I R 4/17) stellt die Finanzverwaltung bei Einschaltung konzerninterner Finanzierungsgesellschaften jedoch für die Frage der Bestimmung des marktüblichen Zinses weniger auf die Bonität des Darlehensnehmers, sondern vielmehr auf die wirtschaftliche Substanz der darlehensgebenden Finanzierungsgesellschaft ab.
Die Regelungen über Funktionsverlagerungen entsprechen in vielerlei Hinsicht den bisherigen Veraltungsgrundsätzen Funktionsverlagerung, hervorzuheben sind jedoch zwei neue Aspekte: (1) Die sog. Bagatellregelung für sog. Funktionsverdoppelungen, wonach keine steuerpflichtige Funktionsverlagerung vorliegt, wenn der Umsatzrückgang eines übertragenden Unternehmens weniger als EUR 1 Mio beträgt, wurde gestrichen. (2) Eine Funktionsverlagerung soll auch bei Änderung der Ausübung und Kontrolle von Risiken und der sog. DEMPE-Funktionen in Bezug auf immaterielle Wirtschaftsgüter anzunehmen sein.
Gerade die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine die deutsche Besteuerung auslösende grenzüberschreitende Funktionsverlagerung vorliegt, beschäftigt immer wieder auch die Gerichte. So hat etwa das Finanzgericht Niedersachsen in einem jüngst veröffentlichten Urteil vom 16.03.2023 (10 K 310/19) für einen konzerninternen Fall der Anpassung des Wertschöpfungsprozesses und von Abläufen und der damit verbundenen Neudefinition von Funktionen innerhalb einer internationalen Unternehmensgruppe entschieden, dass die Kriterien für das Vorliegen einer Funktionsverlagerung eng nach Maßgabe des Wortlauts der einschlägigen Funktionsverlagerungsverordnung auszulegen sind (Revision BFH I R 43/23).