Übersetzungen der in anderen Mitgliedstaaten zuzustellenden Dokumente
Eines der ehrgeizigsten Ziele der Europäischen Union ist es, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in Europa zu schaffen. Eines der Hauptziele ist die Gewährleistung einer effizienten und einfachen Rechtspflege, die eine aktive Zusammenarbeit zwischen den Staaten auf der Grundlage von gegenseitiger Anerkennung und Vertrauen erfordert.
Mit diesem Ziel vor Augen hat die Europäische Union im Laufe der Jahre verschiedene Verordnungen zu verfahrensrechtlichen Aspekten erlassen.
Die Verordnung (EU) 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist eines dieser Instrumente, welches die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von in den Mitgliedstaaten ergangenen Entscheidungen gewährleistet.
Obwohl die Artikel 36 und 39 vorsehen, dass die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt werden, sieht die Verordnung selbst spezifische Gründe für die Versagung der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen durch den ersuchten Mitgliedstaat vor, in welchen es Lücken gibt, die noch entwickelt werden müssen.
Insbesondere Artikel 45.1.b) sieht als Grund für die Versagung der Anerkennung und Vollstreckung vor, dass die Entscheidung ergangen ist, als der Beklagte sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, weil "dem Beklagten […] das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte”. Diese Aussage überlässt es der Interpretation der Richter, wann die Form und die Zeit nicht "ausreichend" ist, um dem Angeklagten die Möglichkeit zu geben, sich zu verteidigen.
In der Vergangenheit konnte der ersuchte Staat gegen die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung Einspruch erheben, wenn der Anspruch dem Beklagten in einer Sprache zugestellt wurde, die er nicht versteht, und es dem Beklagten dadurch unmöglich gemacht wurde, sich zu verteidigen.
Diese Lücke wurde nun durch die neue Verordnung (EU) 2020/1784 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) geschlossen, die es den Empfängern einer Zustellung von gerichtlichen Schriftstücken ermöglicht, die Annahme der Zustellung mit der Begründung zu verweigern, dass das betreffende Schriftstück in einer Sprache abgefasst ist, die der Empfänger nicht versteht. Lehnt der Empfänger einen möglichen Anspruch in einer ihm unbekannten Sprache nicht ab, so kann er die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung, die sich aus dem Verfahren aufgrund dieses Anspruches ergibt, nicht ablehnen.
Obwohl diese Lücke geschlossen wurde, zeigt sie deutlich, dass das Unionsrecht weiterentwickelt werden muss, um das Ziel einer effizienten und einfachen Rechtspflege im europäischen Rahmen zu erreichen.