Transaktionsrechtliche Auswirkungen des Wahlrechts des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO
Der Verkauf von Unternehmen in wirtschaftlicher Krise und Insolvenz (sog. Distressed M&A) hat eine erhebliche Bedeutung in der Transaktionspraxis. Zum einen stellt es regelmäßig die Verwertungsart mit den höchsten Erlösen für die Unternehmensgläubiger dar. Zum anderen können sich für den Käufer einer Gesellschaft in der Krise unternehmerische Chancen ergeben. Er kann gezielt Vermögenswerte und Geschäftsbeziehungen übernehmen, die strategisch zu seinem bestehenden Geschäftsmodell passen und Synergien schaffen. Die vertraglichen Beziehungen zu Kunden und Lieferanten sind dabei häufig besonders wichtig. Verbindlichkeiten des Zielunternehmens sollen hingegen nicht übernommen werden.
Der Käufer bevorzugt deshalb den Asset Deal als Transaktionsform, bei dem er die von ihm übernommenen Wirtschaftsgüter individuell bestimmen kann. Insbesondere kann er in die bestehenden Vertragsbeziehungen mit den Kunden und Lieferanten des Zielunternehmens eintreten und diese rechtlich fortführen.
Eine Vertragsübernahme, bei der das Zielunternehmen aus den bestehenden Vertragsverhältnissen ausscheidet und der Käufer in diese eintritt, setzt das Einverständnis des jeweiligen dritten Vertragspartners voraus. In der Praxis liegen bis zum Vollzug des Unternehmenskaufvertrages regelmäßig nicht alle Zustimmungen für den Übergang der Verträge auf den Käufer vor. An dieser Stelle kommt dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO eine maßgebliche Bedeutung zu. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Zielunternehmens nach dem Closing hat bei einem gegenseitigen Vertrag zur Folge, dass die Vertragsparteien ihre offenen Erfüllungsansprüche nicht mehr durchsetzen können. Der Insolvenzverwalter kann gemäß § 103 InsO nach eigenem Ermessen entscheiden, ob ein beidseitig noch nicht vollständig erfüllter Vertrag zu erfüllen ist oder nicht. Verlangt er Vertragserfüllung, haben die Parteien die gegenseitig geschuldeten Leistungen zu erbringen. Lehnt der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Vertrages ab, wird dieser endgültig beendet.
Zahlt bei einem Asset Deal der Käufer am Vollzugstag den gesamten Kaufpreis für den Geschäftsbetrieb des Zielunternehmens, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle Kunden und Lieferanten dem Übergang ihrer Vertragsverhältnisse auf den Käufer zugestimmt haben, birgt § 103 InsO eine erhebliche Gefahr. Lehnt der Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung die Vertragserfüllung ab, verliert der Käufer den wirtschaftlichen Nutzen aus dieser Vertrags- und Geschäftsbeziehung, obwohl er bereits die volle Gegenleistung erbracht hat.
Dieses Risiko ist zu bewerten und vertraglich zu adressieren. Eine vollständige vertragliche Absicherung zugunsten des Käufers scheidet regelmäßig aus. Der Käufer ist deshalb gut beraten, bereits im Rahmen der Verhandlungen des Unternehmenskaufs mit dem Insolvenzverwalter abzustimmen, wie mit den vom Käufer übernommenen Vertragsverhältnissen nach Vollzug der Transaktion im Hinblick auf § 103 InsO umzugehen ist.