Steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnverteilung und –verwendung bei Kapitalgesellschaften (2) | LEX | Das deutsch-spanische Rechtsportal Direkt zum Inhalt

Steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnverteilung und –verwendung bei Kapitalgesellschaften (2)

31/03/2023
| Frank Behrenz
Steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnverteilung und –verwendung bei Kapitalgesellschaften (2)

In unserem Beitrag zur Ausgabe Februar 2022 dieses Newsletters hatten wir über ein Urteil des VIII. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28.09.2021 (VIII R 25/19) berichtet wonach ein zivilrechtlich wirksamer Gesellschafterbeschluss, nach dem die Gewinnanteile von Minderheitsgesellschaftern ausgeschüttet werden, der auf einen Mehrheitsgesellschafter gemäß seiner Beteiligung entfallende Anteil am Gewinn hingegen nicht ausgeschüttet, sondern in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird (sog. gespaltene bzw. inkongruente Gewinnverwendung), auch steuerlich anzuerkennen ist und auch bei einem beherrschenden Gesellschafter nicht zum Zufluss von Kapitalerträgen führt.

Zur weiteren Frage, ob auch ohne eine Regelung in der Satzung ein unter Zustimmung aller Gesellschafter zustande gekommener Beschluss über eine von der Beteiligungsquote abweichende Gewinnverteilung steuerlich anzuerkennen ist, hat sich der VIII. Senat des BFH nun im jüngst veröffentlichten Urteil vom BFH, Urt. v. 28.09.2022 – VIII R 20/20 geäußert. Hiernach ist – ausdrücklich entgegen der aktuellen Auffassung des Bundesfinanzministeriums (BMF)  – auch ein sog. punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung, der von der Gesellschafterversammlung einstimmig gefasst worden ist und von keinem Gesellschafter angefochten werden kann, als zivilrechtlich wirksamer Ausschüttungsbeschluss steuerlich anzuerkennen, soweit dieser nicht den Tatbestand des Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 42 AO erfüllt. Ein solcher Beschluss kann damit entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung nicht als verdeckte Gewinnausschüttung beurteilt werden.

Das Bundesfinanzministerium hat sich bislang noch nicht dazu geäußert, ob es dieses Urteil über den entschiedenen Fall hinaus allgemein anwendet. In schenkungssteuerlicher Hinsicht geht die Finanzverwaltung in den Erbschaftsteuerrichtlinien 2019 davon aus, dass der Verzicht eines Gesellschafters auf einen bereits entstandenen Gewinnanspruch, zugunsten eines Mitgesellschafters regelmäßig eine steuerbare freigebige Zuwendung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) darstellt, wovon auch in Fällen einer nicht leistungsbezogen bestimmten disquotalen Gewinnausschüttung auszugehen sei.

Bleiben Gewinnbezugs- und Stimmrechte, mit welchen ein Anteil an einer Kapitalgesellschaft ausgestattet ist, erheblich hinter dem Anteil am Nominalkapital zurück, ist dies nach einem ebenfalls jüngst veröffentlichten Urteil des X. Senats des BFH vom 16.11.2022 (X R 17/20B) auch bei der Ermittlung des Verkehrswerts des Geschäftsanteils regelmäßig wertmindernd zu berücksichtigen, sofern die Liquidation der Gesellschaft nicht konkret absehbar ist.

Für die Praxis sind durch die Rechtsprechung neue Fundamente für wirtschaftlich begründete sowie sorgfältig geplante und gut dokumentierte Gestaltungen gelegt, die auch im grenzüberschreitenden Kontext steuerlich interessante Effekte haben können.

Kategorien:

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?

Teilen Sie ihn in den sozialen Netzwerken!