Selbstwirksame Strategien für den Umgang mit überlangen Verfahrensdauern
Gerichtsverfahren in Deutschland dauern immer länger. 2012 waren es noch 8,2 Monate, 2021 waren es schon 11,4 Monate. In der letzten Newsletter Ausgabe Recht & Steuern berichteten wir von einem Vorschlag der Bundestagsfraktion der CDU, die strukturelle Veränderung vorschlug. Mit diesen Vorschlägen setzten wir uns kritisch auseinander, betonen aber gleichzeitig, dass die zunehmenden Verfahrensdauern jedenfalls auch politische Reaktionen erfordern.
Gleichzeitig erwarten Mandanten von ihren Anwälten eigene Antworten – und dies zu Recht. Es reicht nicht aus, sich über überlastete Gerichte zu beschweren und achselzuckend die Schultern zu heben. Anwälte werden zudem mit ihren Mandanten eigene Antworten finden müssen und diese werden fast immer auf Prozessvermeidung hinauslaufen, denn Prozesse kosten Zeit, Geld und Nerven.
Eigenverantwortliche Maßnahmen beginnen bereits bei der Vertragsgestaltung. Wer weiß, dass ein späteres Gerichtsverfahren Jahre dauert und zehntausende an Euro bei ungewissem Ausgang kostet, wird mehr Arbeit in den Vertragsentwurf stecken und eher geneigt sein, sich hierbei sachkundige Unterstützung zu holen. Klare und durchdachte Regelungen vermeiden Streit. Durch unklare Regelungen wird Streit selten ausgeklammert, sondern meistens nur auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, wenn die Parteien kommerziell nicht mehr voneinander profitieren.
Selbstwirksamkeit ist aber in späteren Stadien der Konfliktentwicklung wichtig. Konflikte entstehen selten von heute auf morgen, sondern entwickeln sich meistens über längere Zeit. Frühzeitige und offene Gespräche beugen einer Konfliktverschärfung vor. Auch hier hilft es, sich rechtzeitig professionelle Unterstützung zu besorgen.
Verhandlungsfähigkeiten werden hierbei zunehmend wichtiger. In Verhandlungsführung ausgebildete Anwälte schaffen den schwierigen Spagat, der darin besteht, die Interessen des eigenen Mandanten nach außen zu vertreten, aber gleichzeitig dem eigenen Mandanten ein realistisches Bild von einem möglichen Gerichtsverfahren zu vermitteln. Mandanten neigen häufig dazu, ohne Not in ein Gerichtsverfahren loszustürzen, das sie am Ende nur kostet (s. oben). Schlechte Anwälte gehen mit unnötiger Aggressivität vor und treiben ihre Mandanten nur umso mehr in solche Verfahren. Gute Anwälte bewahren Mandanten hiervor, setzen alles auf eine außergerichtliche Einigung und haben die hierfür notwendigen Fähigkeiten.
Nicht zuletzt helfen auch förmliche Verfahren, die auf Konfliktlösung abseits der „normalen“ Gerichtsverfahren gerichtet sind. Die Gerichte selbst bieten hierfür Mediationsverfahren an, die zusätzlich zu den Gerichtskosten keine weiteren Kosten mit sich bringen. Schiedsverfahren können gerade in internationalen Streitigkeiten sinnvoll sein, sollten aber bereits von Beginn an vertraglich festgehalten werden.
Jammern hilft nicht. Wer verstanden hat, dass Gerichtsverfahren Zeit, Geld und Nerven kosten, wird Konflikte auf andere Art und Weise erledigen und seine Energie dort investieren, wo sie am meisten bringt: im Geschäftlichen.