Präzisierung der Rechtsprechung zur Anklageberechtigung in Wirtschaftsstrafsachen
Die Audiencia Provincial de Baleares hat am 29.01.2016 per Beschluss entschieden, die Acción popular gegen die Infantin Cristina de Borbón zuzulassen.
Abgesehen von der herausgehobenen Stellung der beteiligten Persönlichkeiten scheint es sich bei dem zugrunde liegenden Sachverhalt um eine Standardkonstellation der unrechtmäßigen Entnahme von Geldern aus einer Non-profit Einrichtung zu handeln. Juristisch ist der Fall jedoch auf Grund einer Besonderheit des spanischen Strafprozessrechts interessant: Zusätzlich zur Anklagebefugnis der Staatsanwaltschaft und des Geschädigten ist in der Verfassung mit der Acción popular auch eine Popularklage vorgesehen.
Das Tribunal Supremo hatte zunächst mit dem Botín Urteil von 2007 entschieden, dass eine Acción popular abgewiesen werden muss, wenn weder Staatsanwaltschaft noch Geschädigter Anklage erheben. Diese Auslegung hatte das Gericht allerdings bereits in dem Atutxa Urteil 2008 dahingehend präzisiert, dass bei Fehlen eines konkreten Geschädigten eine Acción popular nicht nur deswegen abgewiesen werden kann, weil die Staatsanwaltschaft nicht ebenfalls Anklage erhebt.
Im gegenwärtigen Verfahren hat die Audiencia Provincial de Baleares (vergleichbar mit einem OLG) die Botín Entscheidung kritisiert und die Atutxa Rechtsprechung fortgeführt. Zudem wurde entschieden, dass die Geschädigte von Steuerdelikten keineswegs lediglich die Steuerbehörde, sondern vielmehr die Allgemeinheit sei. Im aktuellen Fall seien Steuerdelikte möglicherweise mitverwirklicht und die Acción popular gegen die Infantin folglich zuzulassen.
Nach einer zunächst weitgehenden Einschränkung der Acción popular kehrt die Strafrechtsprechung damit wieder zu einem weiten Anwendungsbereich der Möglichkeit zurück, die Strafbarkeit von Handlungen auch ohne den Willen der Staatsanwaltschaft und anderer Staatsvertreter gerichtlich überprüfen zu lassen.