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Neue Berechnungsregeln für Massenentlassungen in Spanien

30/04/2021
| Karl H. Lincke, Alejandra Sanz
Neue Berechnungsregeln für Massenentlassungen in Spanien

In einer Zeit, in der aufgrund der Auswirkungen der Corona-Krise Entlassungen zunehmen, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Berechnungsgrundlage zur Bestimmung der Anzahl von Entlassungen für ein Massenentlassungsverfahren geändert.

Das EuGH Urteil vom 11.11.2020 (Az.: C 300/19) erweitert mithin den Referenzzeitraum zur Berechnung der Anzahl von Entlassungen, die ein Unternehmen verpflichten, das Massenentlassungsverfahren einzuleiten.

Grenzwerte bei Massenentlassungen: Hintergrund

Gemäß Artikel 51.1 des spanischen Arbeitnehmerstatuts wird von einer betrügerischen Handlung der Arbeitgeber ausgegangen, wenn sie zur Vermeidung eines Massenentlassungsverfahrens in einem zusammenhängenden Zeitraum von 90 Tagen Kündigungen aus objektiven Grund unterhalb des gesetzlich festgelegten Grenzwertes für Massenentlassungen aussprechen und dabei keine neuen Umstände anführen können; diese Kündigungen werden dann als nichtig und unwirksam eingestuft.

Die spanische Rechtsprechung ging bei der Berechnung des Zeitraums von 90 Kalendertagen davon aus, dass der Tag der Entlassung sowohl den letzten Zeitpunkt für Entlassungen eines Zeitraums als auch den ersten Zeitpunkt für die Berechnung des anschließenden 90 Tage Zeitraums darstellt.

Nehmen wir zum Beispiel an, dass ein Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern (*) in den Monaten Januar bis März keine Entlassungen, hingegen acht Entlassungen Anfang April und zwei weitere Entlassungen im Juni vornimmt.

Obwohl das Unternehmen bis Juni insgesamt zehn Entlassungen vornimmt, würde ein Massenentlassungsverfahren, angestrengt durch die im April gekündigten Mitarbeiter, keinen Erfolg haben.

Wechsel der Doktrin, neue Berechnungsregelung

Die neue durch das EuGH-Urteil eingeführte Doktrin, die wörtlich übersetzt als „Kompassregel“ bezeichnet wird, sieht vor, dass die Berechnung der 90 Kalendertage sowohl vor als auch nach der Entlassung vorgenommen werden muss.

Das bedeutet, dass von nun an, bevor ein Vertrag gekündigt wird, das Unternehmen sicherstellen muss, ob ein Massenentlassungsverfahren eingeleitet werden muss. Dafür wird die Anzahl der ausgesprochenen Entlassungen in den 90 Tagen vor dem Zeitpunkt der Entlassung berücksichtigt als auch die Anzahl der Entlassungen, die (voraussichtlich) in den 90 Tagen nach demselben Zeitpunkt ausgesprochen wird.

Im obigen Beispiel ergäbe sich bei Erreichung des Grenzwertes an entlassenen Arbeitnehmern im Monat Juni (weniger als 90 Tage nach den Entlassungen im April), dass ein Massenentlassungsverfahren eingereicht werden muss.

Schlussfolgerung

Angesichts dieser Änderung der Doktrin und faktischen Erweiterung des Berechnungszeitraumes ist es ratsam, dass Arbeitgeber, bei denen Entlassungen absehbar sind, ihr Vorgehen im Vorfeld hinsichtlich der Anzahl und des Zeitraumes von Kündigungen analysieren.

(*) Falls die Entlassungen zehn oder mehr Mitarbeiter betreffen, muss das Unternehmen auf das Massenentlassungsverfahren zurückgreifen.

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