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Madrid oder Frankfurt – vorvertragliche Verhandlungen und internationale Zuständigkeit

30/11/2021
| Dr. Thomas Rinne, Johannes Brand. LL.M.
Madrid oder Frankfurt – vorvertragliche Verhandlungen und internationale Zuständigkeit

Wer wen wo verklagen darf, ist gesetzlich geregelt – in Deutschland in der Zivilprozessordnung, auf europäischer Ebene in der EuGVVO (Verordnung (EU) Nr. 1215/2012). Diese Zuständigkeitsregelungen haben es in sich. Gerichtsstände können sich z. B. aus AGB ergeben, müssen aber wirksam in den Vertrag einbezogen sein. In Deutschland sind diese z. B. nur unter Kaufleuten zulässig. Danach entscheidet sich z. B., ob der Kläger für das Gerichtsverfahren nach München an den Wohnort des Beklagten fahren muss oder bei sich ‚zu Hause‘ in Hamburg klagen darf.

Wenn es dann international wird, sind die Auswirkungen noch greifbarer. Ein Gerichtsverfahren im Ausland bedeutet nicht nur Reisekosten, sondern auch die Notwendigkeit, einen ausländischen Anwalt einzuschalten. Der Kläger muss sich auf ein fremdes Rechtssystem einstellen und Dokumente übersetzen lassen. Er will das naturgemäß vermeiden, der Beklagte will ‚zu Hause‘ verklagt werden. Die Brüssel Ia-Verordnung bestimmt grundsätzlich, dass jeder Beklagte im eigenen Land verklagt wird. Es gibt aber Ausnahmen: z. B. der vereinbarte Gerichtsstand oder der Erfüllungsort. Beides kann im Einzelfall schwer zu bestimmen sein. Wollte der Verkäufer eine eigene Verbindlichkeit zum Transport übernehmen (Erfüllungsort am Lieferort) oder dem Käufer bloß aus Gefälligkeit beim Transport helfen (kein Erfüllungsort am Lieferort)? Waren die AGB mit der Gerichtsstandsvereinbarung wirksam vereinbart? Danach entscheidet sich, ob das Gerichtsverfahren z. B. in Madrid oder Frankfurt stattfindet.

Eine weitere Ausnahme ist der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung. Dort, wo aus einer solchen Handlung ein Schaden entsteht, ist auch ein Gerichtsstand gegeben. Der Bundesgerichtshof hatte kürzlich mit der Abgrenzung des vertraglichen zum deliktischen Gerichtsstand zu kämpfen (Urteil vom 20.7.2021 – VI ZR 63/19).

Der deutsche Käufer hatte beim bulgarischen Verkäufer ein Fahrzeug gekauft, das sich später als defekt entpuppte. Der deutsche Käufer behauptete, dass er getäuscht worden sei. Nach ‚normalen‘ Grundsätzen (also, allgemeinen und vertraglichen Gerichtsständen) hätte der deutsche Käufer den bulgarischen Verkäufer in Bulgarien auf Rückabwicklung verklagen müssen. Er stützte die Klage aber auf einen deliktischen Anspruch (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB, also Betrug). Eigentlich eine klare Sache, möchte man meinen, aber die Abgrenzung war schwierig. Der Kläger musste durch drei Instanzen: Landgericht Hannover bejaht die Zuständigkeit, Oberlandesgericht Celle verneint die Zuständigkeit, Bundesgerichtshof bejaht die Zuständigkeit. Und zunächst neigte der BGH dazu, die Frage dem EuGH vorzulegen.

Internationales Zivilprozessrecht ist komplex. Kleine Ursache, große Wirkung. Ein einheitliches europäisches Zuständigkeitsrecht ist wichtig, aber die Auslegung kann immer wieder Überraschungen mit sich bringen. Umso wichtiger ist vorausschauendes Handeln. Ordentlich ausgehandelte und vereinbarte Gerichtsstandsvereinbarungen können helfen – ebenso ein Grundverständnis dafür, welche Rechtsfolgen das eigene Handeln hat.

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