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Lockdown ein „allgemeines Lebensrisiko“?

30/10/2020
| Dr. Thomas Rinne, Lidia Minaya Moreno
Lockdown ein „allgemeines Lebensrisiko“?

Mitte März 2020 wurden auch in Deutschland Einzelhandelsgeschäfte, Fitnessstudios und Gastronomiebetriebe wegen der Corona-Pandemie zwangsweise für gut zwei Monate geschlossen. Jetzt haben solche Schließungsverfügungen erste juristische Nachspiele. Das Landgericht Berlin hat Mitte Oktober 2020 eine Klage eines Wirtes aus Berlin-Charlottenburg, der vom Land Berlin wegen der Zwangsschließung Schadensersatz verlangt hatte, abgewiesen. Zwar hat der Staat seinerzeit eine Corona-Soforthilfe bis zu € 15.000 gezahlt. Diese glich aber den Umsatzausfall von nicht einmal ansatzweise aus. Der Gastronom hatte das Land Berlin auf Schadensersatz wegen der Umsatzeinbußen in Höhe von rund € 50.000 pro Monat verklagt.

Seit Beginn der Corona-Pandemie wird unter Juristen intensiv diskutiert, welche Ansprüche Einzelhändler, Sportstudiobetreiber und Gastronomen - um nur einige Wenige zu nennen – aufgrund der zwangsweisen Schließungsverfügungen gegen das jeweilige Bundesland haben können. Das Infektionsschutzgesetz sieht Entschädigungen für Personen vor, die sich als Infizierte in Quarantäne begeben müssen. Sie erhalten Verdienstausfall oder als Selbstständige auch eine Entschädigung wegen entgangener Umsätze. Unternehmen, die aufgrund der allgemeinen Schließungsverfügung betroffen sind, haben nach diesem Gesetz keinerlei Ansprüche. Deshalb wird auch diskutiert, dass solche Schließungsverfügungen vom Infektionsschutzgesetz gar nicht abgedeckt sind. Als mögliche Anspruchsgrundlage kämen ein sog. enteignungsgleicher Eingriff bzw. ein Aufopferungsanspruch in Betracht. Das Landgericht Berlin hat in der erwähnten Entscheidung allerdings jegliche Schadensersatzansprüche des Gastronomen abgewiesen, und zwar mit der Begründung, die Schließungsverfügungen seien seinerzeit verhältnismäßig gewesen und so etwas sei von einem Unternehmer als „allgemeines Lebensrisiko“ hinzunehmen. Mit einer solchen Begründung werden sich Geschädigte nicht zufriedengeben.

Da das Urteil nicht rechtskräftig ist, bleibt abzuwarten, wie das Kammergericht darüber denkt und gegebenenfalls wird diese Frage auch demnächst vom Bundesgerichtshof geklärt werden, da es eine Vielzahl von ähnlich gelagerten Klageverfahren in Deutschland gibt. Immerhin hat dieses Urteil zur Folge, dass von der Politik inzwischen höhere staatliche Entschädigungen für besonders betroffene Branchen wie die Gastronomie in Aussicht gestellt werden.

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