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Künstliche Intelligenz im Zivilprozess

30/09/2020
| Dr. Thomas Rinne, Johannes Brandt, LL.M.
Künstliche Intelligenz im Zivilprozess

Die fortschreitende Digitalisierung wird auch vor Zivilprozessen nicht Halt machen und sie auf unterschiedliche Art und Weise verändern. Eine Arbeitsgemeinschaft deutscher Richter hat ein Thesenpapier mit dem Titel „Modernisierung des Zivilprozesses“ herausgegeben. Sie schlagen z. B. vor, dass Beteiligte vermehrt und verpflichtend elektronisch kommunizieren sollen und perspektivisch das Fax abgeschafft wird.

Interessant ist, was die Richter zur Digitalisierung des Kostenfestsetzungsverfahrens vorschlagen:

              Die klare Struktur des Kostenfestsetzungsverfahrens gibt die Möglichkeit, automatisierte                                                         Entscheidungen und den Einsatz Künstlicher Intelligenz im Zivilprozess zu erproben. 

In diesem Verfahren ist das eigentliche gerichtliche Verfahren bereits abgeschlossen. Das Gericht hat in einer Kostengrundentscheidung in einer Quote abstrakt festgelegt, wer die Kosten des Verfahrens (Gerichtskosten und Anwaltsgebühren) zu tragen hat. Hat der Kläger beispielsweise zu 70 Prozent gewonnen und das Gericht dementsprechend geurteilt, dass die Beklagte die Kosten zu 70 Prozent und der Kläger zu 30 Prozent zu tragen hat, muss aber noch bestimmt werden, welche Kosten das nun sind und die entsprechende Höhe ausgerechnet werden. Die Parteien würden nun entsprechende Berechnungen ihrer Kosten an das Gericht schicken, welches die genaue Höhe ausrechnet. Das könnte längst von einem Algorithmus übernommen werden, was die Geschäftsstellen der Gerichte sehr entlasten würde.

Ob ein solcher Algorithmus wirklich Künstliche Intelligenz ist, wie die Richter formulieren, ist Definitionssache. Wikipedia definiert Künstliche Intelligenz als „ein Teilgebiet der Informatik, welches sich mit der Automatisierung intelligenten Verhaltens und dem maschinellen Lernen befasst“. Ob eine Software zur Berechnung von Kostenerstattungsansprüchen wirklich maschinell lernen muss, ist fraglich. Zumindest theoretisch könnte Künstliche Intelligenz aber in der Rechtsprechung selbst zum Einsatz kommen. Rechtsprechung ist die Subsumtion von Sachverhalten unter Gesetze. Richter müssen streitige Sachverhalte anhand von Beweisaufnahmen entscheiden und dann den ermittelten Sachverhalt unter Gesetze fassen. Das ist im Detail hochkomplex, aber eine Maschine, die Zugriff auf alle Gesetze und entgangene Gerichtsentscheidungen hat, könnte diesen Prozess möglicherweise übernehmen. Hier könnte auch Künstliche Intelligenz im engeren Sinne zum Einsatz kommen, denn wie ein Richter könnte auch eine Software lernen und aus vorhandenen Erfahrungen und Wissen neue Erkenntnissätze entwickeln, wie z. B. bei der Frage, ob ein Zeuge die Wahrheit sagt oder wie ein neues Gesetz auszulegen ist.

Das ist aber noch Zukunftsmusik. Das Vertrauen in die Rechtsprechung könnte bei Einsatz von Künstlicher Intelligenz – zumindest im kernrelevanten Bereich der Rechtsprechung – leiden. Die Automatisierung des Kostenfestsetzungsverfahrens ist aber alles andere als fern, möglicherweise sogar überfällig.

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