Kein Diskriminierungsschutz für Scheinbewerber
Zum zehnjährigen Bestehen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Rahmen eines Vorlageverfahrens des Bundesarbeitsgerichts (BAG) am 28. Juli 2016 ein aus Unternehmersicht interessantes Urteil – Rs. C-423/15 – erlassen. Zunächst zum vereinfacht dargestellten Sachverhalt: Der Kläger ist Volljurist und seither überwiegend als selbstständiger Rechtsanwalt tätig gewesen, laut Bewertung auch eine Zeit lang als leitender Angestellter einer Rechtsschutzversicherung. Er hat schon viele Unternehmen und mehrere Anwaltskanzleien auf Entschädigungen wegen Altersdiskriminierung verklagt. Unter anderem hat er sich auf eine Stellenausschreibung für die Fachrichtung Jura eines großen Versicherungskonzerns beworben. Darin wurde ein nicht länger als ein Jahr zurückliegende Hochschulabschluss und qualifizierte Berufserfahrung verlangt. Der Kläger – damals 38 Jahre alt – war abgelehnt worden. Er verlangte daraufhin Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Eine nachfolgende Einladung zum Vorstellungsgespräch lehnte er ab. Als der Kläger erfuhr, dass die vier Stellen ausschließlich mit Frauen besetzt worden waren, forderte er eine zusätzliche Entschädigung aufgrund von Geschlechterdiskriminierung.
Der EuGH hat die Frage, ob Diskriminierungsschutz auch für solche Scheinbewerbungen gilt, verneint und damit die Auffassung des BAG bestätigt. Die dem AGG zu Grunde liegende EU-Richtlinien wollen Personen schützen, die Beschäftigung suchen. Wenn jemand eine Bewerbung einreicht, um ausschließlich den formalen Status als Bewerber zu erlangen, könne er sich auf den Schutz der Richtlinien daher nicht berufen – so der EuGH. Ein Scheinbewerber könne daher auch keine Entschädigung wegen Diskriminierung verlangen. Jedoch ist aus Unternehmersicht Vorsicht geboten, nach den Ausführungen des EuGH vorschnell auf eine Scheinbewerbung und missbräuchliches Verhalten zu schließen. Für deren Annahme bedarf es klarer objektiver Anhaltspunkte.