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Jüngste Rechtsprechung zu den Indizien für eine Zahlungseinstellung

30/09/2016
| Florian Roetzer, LL.M.
Jüngste Rechtsprechung zu den Indizien für eine Zahlungseinstellung

Zunächst zur systematischen Einordnung im Insolvenzverfahren, wann es auf Indizien für eine Zahlungseinstellung eines Unternehmens ankommt: Wird über das Vermögen einer Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, ist der Insolvenzverwalter angehalten, die Haftungsmasse der Gesellschaft im Sinne aller Gläubiger sicherzustellen und wiederherzustellen. Letzteres geschieht durch das Instrument der Insolvenzanfechtung. Danach kann der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen und damit Zahlungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die übrigen Insolvenzgläubiger benachteiligen, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen anfechten und zurückverlangen. Eine dieser Voraussetzungen ist, dass dem Zahlungsempfänger bekannt war, dass die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Zahlung zahlungsunfähig war. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn hinreichend bestimmte Indizien für die Annahme der Zahlungsunfähigkeit gegeben sind. 

Die in der Praxis schwierige Feststellung solcher Indizien hat der BGH in zwei jüngeren Entscheidungen wie folgt konkretisiert: Gemäß der Entscheidung vom 16. Juni 2016 (IX ZR 23/15) offenbart der Schuldner einer in den Vormonaten deutlich angewachsenen Forderung dem Gläubiger seine Zahlungsunfähigkeit, wenn er angekündigt, im Falle des Zuflusses neuer Mittel diese aufgelaufenen Verbindlichkeiten nur durch 20 Monatsraten begleichen zu können. Gleiches gilt, wenn der Schuldner selbst erteilte Zahlungszusagen wiederholt nicht einhält oder verspätete Zahlungen nur unter dem Druck einer angedrohten Liefersperre vornimmt (Urteil vom 9. Juni 2016 – IX ZR 174/15). In beiden Fällen wird vermutet, dass der Zahlungsempfänger von der Zahlungsunfähigkeit wusste. Bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen kann und wird der Insolvenzverwalter die Rechtsgeschäfte anfechten und die Zahlungen zurückfordern. Die hierdurch wieder auflebenden Forderungen der Zahlungsempfänger werden lediglich in Höhe der für alle Insolvenzgläubiger geltenden Quote (in der Praxis weit unter 10 %) befriedigt.

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